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Die Alternative für Deutschland (AfD): Missing Link im Block der europäischen Rechtspopulisten?

„Befreiung vom Monster in Brüssel“, so überschrieb die Neue Züricher Zeitung (NZZ) ihren Bericht über das Treffen von Geert Wilders, Führer der niederländischen rechtspopulistischen Freiheitspartei (PVV) und Marie Le Pen, Frontfrau der französische Front National (FN), am 13. November 2013. Die beiden hatten sich medienwirksam in Den Haag zusammengefunden, um gemeinsam den Europawahlkampf für 2014 einzuläuten und für ein EU-weites Rechtsaußenbündnis zu werben.

Euroskepsis – Der Resonanzboden für Rechtspopulismus

Das Treffen sollte der Auftakt dafür sein etwas zusammenzubringen, was bisher nicht zusammengepasst hat. Neben den finanziellen Vorteilen des Fraktionssatus ist der Hintergrund für Wilders und Le Pens Bemühen  vermutlich die Erkenntnis, dass die rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Parteien auf europäischer Ebene bisher eher erfolglos agieren, obwohl sie in ihrer Programmatik an eine weit verbreitete Euroskepsis anknüpfen können und ihre Politik stark auf die EU fokussieren. Zwar sind sie als nationale Parteien bei EU-Wahlen teilweise durchaus erfolgreich, dennoch ist es ihnen auf EU-Ebene bisher kaum gelungen, politisch zu intervenieren. Im Moment agieren im EU-Parlament zwei Rechtsaußenbündnisse: Zum einen ist da die Alliance of European National Movements (AENM), der neun Parteien angehören, unter anderem die ungarische Jobbik, die British National Party (BNP) und die italienische Fiamma Tricolore. Die AENM fällt vor allem durch antisemitische und offen faschistische Töne auf, weshalb Marie Le Pen, die die FN aus der faschistischen Schmuddelecke herausführen will, als EU-Abgeordnete aus diesem Bündnis aus- und in die Alliance for Freedom (EAF) eingetreten ist. Die EAF ist kein Parteienbündnis, sondern ein Zusammenschluss von Parlamentarier_innen aus dem rechtspopulistischen Spektrum. Die tragenden Kräfte kommen hier aus der FPÖ und vom Vlaams Belang (Kronauer 2014).

Bei aller Unterschiedlichkeit der rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien in Europa haben sie eines gemeinsam: Ihre Programmatik bedient die Euroskepsis vieler Wähler_innen und baut auf weit verbreiteten Ressentiments auf. Diese Ressentiments richten sich mal gegen Juden, mal gegen Islamisten, aber immer gegen EU-Bürokrat_innen und oft auch gegen Banker_innen.

Auf deutscher Seite konnte sich bisher keine rechtsextreme oder rechtspopulistische Kraft im EU-Parlament etablieren. FPÖ und Vlamms Belang haben erfolglos versucht, die Pro-Bewegung in Deutschland zu unterstützen. Die AfD, insbesondere deren Chef Bernd Lucke, ziert sich bisher, mit den europäischen Rechtspopulisten zusammenzuarbeiten. Lucke dementierte gegenüber n-tv  umgehend eine Teilnahme der AfD am von Le Pen und Wilders vorgestellten Bündnis.

Der Wahlerfolg der AfD bei der Bundestagswahl 2013

Bei der Bundestagswahl 2013 konnte die AFD mit einem inhaltlich minimalen Wahlprogramm innerhalb von sieben Monaten 2.000.000 Wähler_innen und damit fast fünf Prozent gewinnen. Interessant an diesem Wahlergebnis ist zweierlei: Zum einen die Wählerwanderungen in Richtung AFD  und zum anderen, aus welchen Motiven die Partei vermutlich gewählt wurde.

Der größte Block an Wähler_innen kam mit 430.000 von der FDP. Dabei dürfte es sich vor allem um Anhänger_innen des rechten Flügels der FDP handeln, die sich von der Kritik der AfD an der Politik der EU, insbesondere im Zuge der Eurokrise, angesprochen fühlten. Die AfD bezieht sich in ihrer Kriseninterpretation auf Positionen aus dem neoliberalen marktradikalen Wissenschaftsspektrum um den Präsidenten des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn, die unter anderem in der Bogenberger Erklärung von 2011 zum Ausdruck kommen und verbindet diese mit populären Krisenerzählungen. Sowohl die  Neoliberalen um Sinn als auch die AfD  treibt in erster Linie die Sorge um, dass im Zuge immer weiter notwendiger Euro-Rettungspakete irgendwann eine Transferunion unausweichlich wird: „Da die Krisenländer 40 Prozent der Bevölkerung der Eurozone umfassen, würde sich Deutschland mit der Zustimmung zu einer europäischen Transferunion finanziell übernehmen und seinen Bürgern substanzielle Wohlstandsverluste auferlegen.“ (Bogenberger Erklärung). Die AfD erklärt entsprechend in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2013: „Eine Transferunion … lehnen wir entschieden ab.“ Die Übernahme marktradikaler Euro-Kritik machte sie für enttäuschte FDP-Wähler_innen attraktiv. Während die FDP, wenn auch nörgelnd, den Eurorettungspaketen zugestimmt hatte, erschien die AfD damit doch als die konsequent neoliberale Kraft.

410.000 Wähler_innen der AfD kamen aus dem Spektrum der anderen Parteien. Hier dürfte es sich zu einem großen Teil um Wähler_innen handeln, die in der Vergangenheit rechtsextreme Gruppierungen und Protestparteien gewählt haben.

Der nächstgrößere Block von Wähler_innen, 340.000, kam aus einem ganz anderen Spektrum  zur AfD, nämlich von der Partei DIE LINKE. Wie ist das erklärbar? Die AfD nutzt in ihrer rudimentären Programmatik Diskursfragmente, die auf den ersten Blick anschlussfähig an eine linke Kriseninterpretation sind. So begründet die AfD die Notwendigkeit zum Ausstieg aus dem Euro nicht nur damit, dass die Euro-Rettung von den deutschen Steuerzahler_innen finanziert werden würde, sondern schlägt sich scheinbar auch auf die Seite der ärmeren Länder „Wir fordern eine geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes. Deutschland braucht den Euro nicht. Anderen Ländern schadet der Euro.“ Ähnlich wird im Zusammenhang mit dem Euro-Ausstieg teilweise auch von linker Seite argumentiert. So forderte der frühere Parteichef der LINKEN, Oskar Lafontaine, in einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung am 30.04.2013 eine Rückkehr zu nationalen Währungen. Auf die Parallelität seiner Forderung zur der der AfD angesprochen, wiegelte er ab: Die AfD verfolge nach der Auflösung des Euro eine reine Marktlösung, während er wolle „, dass wir wieder zu einem geordneten, abgestimmten Prozess des Auf- und Abwertens kommen.“ Ebenso anschlussfähig an eine linken Diskurs ist die folgende Aussage im AfD-Wahlprogramm: „Wir fordern, dass die Kosten der sogenannten Rettungspolitik nicht vom Steuerzahler getragen werden. Banken, Hedge-Fonds und private Großanleger sind die Nutznießer dieser Politik. Sie müssen zuerst dafür geradestehen.“ Forderungen, die auch im Aufruf für eine linke Demonstration stehen könnten.

[ Grafik Wähler_innenwanderung ]

Die meisten der 210.000 ehemaligen Nichtwähler_innen, die 2013 ihr Kreuz bei der AfD machten, dürften dies in erster Linie aus Protest gegen die etablierten Parteien getan haben. Die 290.000 Wähler_innen aus dem Lager der CDU weisen ebenso wie die 180.000 von der SPD und die 170.000 von Bündnis 90/Die Grünend darauf hin, dass die AfD auch für Mitte/Rechts-Wähler_innen als denkbare Alternative zu den etablierten Parteien erscheint.

Insgesamt kann gesagt werden, dass die AfD im Bundestagswahlkampf vor allem Wähler_innen mobilisiert hat, die euroskeptisch sind, und, zumindest soweit es die ehemaligen FDP-Wählerinnen und Teile der CDU-Wähler_innen betrifft, auch marktradikal.

Eintagsfliege oder neue neuer Heimat für Rechtspopulisten in Deutschland?

Wie bei jeder schnell an Popularität gewinnenden Partei, ließ auch bei der AfD der innerparteiliche Machtkampf, der immer auch ein Kampf um den besten Platz am Trog ist, nicht lange auf sich warten. Ende Dezember berichtet die Süddeutsche Zeitung über die heftigen Machtkämpfe im Landesverband Hessen.

Es ist also  noch keineswegs ausgemacht, dass sie sich über innere Auseinandersetzungen genauso schnell wieder in ihre Einzelteile zerlegt, wie sie entstanden ist. Genauso wahrscheinlich ist aber, dass sie sich als neue rechtpopulistische Kraft rechts vom CDU/CSU etabliert.

Die AfD ist keine offen rassistische Partei wie beispielweise die NPD, dennoch bedient sie  an Rassismus und vor allem an Nationalismus anknüpfende Deutungsmuster. Damit ist sie attraktiv für Wähler_innen mit einer latenten fremdenfeindlichen Einstellung, die sich häufig wegen der nach wie vor vorhandenen gesellschaftlichen Ächtung eines offenen Rassismus wie bei den Nazis nicht zur extremen Rechten bekennen wollen. Dass das Spiel der AfD mit der nationalen Karte funktioniert, wird unter anderem daran deutlich, dass sie in traditionellen rechten Hochburgen stark abgeschnitten hat. Sie benutzt zudem Begriffe und Parolen, die nach rechtsaußen anschlussfähig sind,  beginnend beim Parteinamen bis hin zu Wahlkampfslogans wie, „eine ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme muss unbedingt unterbunden werden“ und „Deutschland hat zu wenig  Kinder.“ Zumindest eine bedeutende Strömung der Partei ist personell seit langem mit dem nationalistischen Milieu verbunden, beispielweise mit Betreibern der rechten Postille Junge Freiheit, die die Entwicklung der AfD bisher auch höchst wohlwollend begleitet.

Die AfD kann sich durchaus zu einer neuen Partei rechts von CDU/CSU entwickeln und damit zu einem relevanten Sammelbecken nationalliberal Gesinnter werden.  Sie muss also ernst genommen werden,  vor allem deshalb, weil die von ihr angebotene Mischung aus Marktradikalismus, konservativem Familienbild und nationalen Tönen tendenziell dazu taugt, bei Wahlen deutlich über  fünf Prozent zu mobilisieren und damit die politischen Mehrheiten in Deutschland noch weiter nach rechts zu verschieben. Und sie sind gefährlich, weil sie nationalistische und chauvinistische Stimmungen anheizen und eher hoffähig machen können, als es den Rechtsextremen bisher gelingen konnte.

Die AFD vor der Europawahl 2014

Es ist zu erwarten, dass die Wahl zum EU-Parlament im Mai 2014 stark von der Frage geprägt sein wird, wie der Prozess der europäischen Integration und die Entwicklung des Euro-Raums zukünftig gestaltet werden wird. Die Hoffnungen auf ein deutliches Erstarken, die Le Pen und Wilders daraus für ihre Parteien ziehen, sind nicht unbegründet. Die Funktionär_innen der AfD dürften ähnliche Hoffnungen hegen, aus der weit verbreiteten Euro-Skepsis Kapital schlagen zu können. Wenn es der AfD ähnlich wie im Bundestagswahlkampf gelingt, die Finanz- und Wirtschaftskrise in eine Frage der richtigen Fiskalpolitik und vor allem in eine nationale Frage umzudeuten, hat sie gute Chancen, als die euroskeptische nationale Stimme der Deutschen in das EU-Parlament einzuziehen.

Muss Attac da nicht mit seiner Euro- und EU-Kritik ansetzen? Das wirksamste Mittel, um eine emanzipatorische Alternativerzählung zur rechten Krisendeutung voran zu treiben, ist es, den Krisendiskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das heißt weg von der Dominanz der geldpolitischen und nationalistischen Debatten hin zur sozialen Dimension des Kampfes um die Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums.

Warum ist die Eurodebatte in der Regel eine Debatte der Rechten? Ein Teil der neoliberalen Rechten, und zu diesem gehört die AfD, wollen einen Teilrückzug aus dem Euro und parallel dazu eine Forcierung der Lissabon-Strategie (Lohnsenkung, Sozialabbau, Wettbewerb) durchsetzen und flankieren diese Position mit nationalistischer Propaganda. Sie haben Sorge, dass die Dynamik der Euro-Krise die Bundesregierung dazu zwingt, mehr Verantwortung für die Krisenländer im Euro-Raum zu übernehmen, zum Beispiel über Eurobonds, Transferunion und ähnliche Maßnahmen. Es gelingt ihnen dabei erstaunlich gut, die soziale Frage in eine nationale zu verwandeln. Statt danach zu fragen, wer innerhalb einer Volkswirtschaft wie viel vom gesellschaftlich produzierten Reichtum bekommt, werden die  faulen Griech_innen die  fleißigen Deutschen gegenübergestellt.  Tatsächlich sind Verteilungsfragen in Europa nur sehr bedingt von der Währungspolitik und vom Euro beeinflusst. Im Wesentlichen sind sie Ergebnis der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in den jeweiligen Ländern um die Aneignung des gesellschaftlich produzierten Reichtums, also dem Verhältnis von Lohn zu Profit sowie der unterschiedlichen Produktivitätsniveaus zwischen den Ländern. Bei Letzterem  spielt dann selbstverständlich auch der Euro bzw. die fehlende Möglichkeit innerhalb des Euro-Raums abzuwerten eine Rolle. Wer den Fokus in der Krisendebatte auf die Euro-Frage statt auf die soziale Frage legt, wird immer bei Nationen als Akteuren landen und damit den rechten Diskurs stärken.

 


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