Die AFD vor der Europawahl
Personal und Bündnispartner der AfD
Dabei ist es wichtig, sich über die Struktur der AfD klar zu sein. Sie lebt wesentlich vom öffentlichen Auftreten ihres Sprechers Bernd Lucke. Er versucht als Professor das Image der Seriosität und des Sachverstandes auszustrahlen. Dabei hat er eine ganze Menge schmuddelige Bündnispartner, die Grenzen etwa zu der offen islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“ sind fließend, viele Mitglieder sind übergetreten. Eine nationalistisch-rechte Strömung organisiert sich als „Patriotische Plattform“. Unter den Kandidaten zur Europawahl finden sich keine mit einer offen rechtsaußen Vergangenheit. Lucke selbst steht eher für einen autoritären und selbstherrlichen Stil als für wirtschaftlichen Sachverstand. Luckes Versuch, die Parteistruktur völlig auf seine Person zuzuschneiden, ist auf dem Parteitag in Erfurt Ende April gescheitert. Sein Vorstoß sah den alleinigen Vorsitz für ihn sowie die Ermächtigung des Vorstandes vor, sowohl Vorstandsmitglieder abzusetzen wie ganze Gebietsverbände der Partei aufzulösen.
Lucke hat einen protestantisch-fundamentalistischen ideologischen Hintergrund und trifft sich dabei mit einigen anderen Parteigrößen. Dabei vertritt er wirtschaftspolitisch liberale Postionen, wie sie sich etwa auch bei Hans-Werner Sinn und seiner Bogenberger Erklärung finden. Für die macht(e) er im „Bündnis Bürgerwille“ offensiv Werbung Kernpunkt der Kritik: „Die Bundesregierung haftet seit 2010 für die Schulden fremder Staaten.“ Das soll nicht so bleiben, das in Deutschland zusammengeraffte Geld soll in Deutschland bleiben: „Die Aufgabe der deutschen Politik ist es nicht, die Kapitalmärkte zu beruhigen, sondern die deutschen Bürger, dies schon deshalb nicht, weil erstere offenbar erst dann beruhigt sind, wenn letztere bereit sind, den institutionellen Investoren die toxischen Staatspapiere der peripheren Länder der Eurozone abzukaufen.“
In diesem Bündnis ebenso wie in der Partei spielt etwa der ehemalige Präsident des BDI Hans-Olaf Henkel (Platz 2 der Europawahlliste und stellv. Parteisprecher) ebenso eine Rolle wie Beatrix von Storch (Platz 4 und ebenfalls stellv. Vorsitzende), „als Vorsitzende des Vereins ‚Zivile Koalition‘ eine der einflussreichen konservativen Netzwerkerinnen des Landes“ (Cicero Mai 2013). Dazu gehört auch Charles B. Blankart, emeritierter Professor für Öffentliche Finanzen, der am 22.8.2013 zum Thema Demokratie folgenden bemerkenswerten Satz schrieb: „Jede Demokratie ist so zu organisieren, dass die Nutznießerkreise mit den Entscheidungsträgerkreisen und den Steuerzahlerkreisen übereinstimmen.“ Dazu schrieb Parteisprecher Konrad Adam, jemand habe „den Vorschlag gemacht, den von ihm sogenannten Nettostaatsprofiteuren das Wahlrecht zu entziehen. In diese Kategorie gehören nach seiner Definition nicht nur die Beamten, die im Staat ihren Arbeitgeber sehen, und nicht nur alle diejenigen, die weniger für die Politik als von der Politik leben, die Mehrzahl der Berufspolitiker also, sondern auch und vor allem die Masse der Arbeitslosen und der Rentner…Vor diesem Hintergrund klingt die Anregung, den Inaktiven und Versorgungsempfängern das Wahlrecht abzuerkennen, provokativer, als sie tatsächlich ist. Die Fähigkeit, sich selbst und den Seinen den Lebensunterhalt zu verdienen, galt in der Theorie der europäischen Verfassungsbewegung als eine selbstverständliche Voraussetzung für die Gewährung des Wahlrechts.“ (16.10.2006 Die Welt)
Frauke Petry, neben Lucke und Adam die dritte ParteisprecherIn, hat in ihrem Landesverband Sachsen ein teilweise durchaus ins Braune zielendes Landtagswahlprogramm verabschieden lassen. Da wird zum Beispiel gefordert, dass Moscheen mit Minarett nur noch nach Volksabstimmungen gebaut werden dürfen. Eltern sollen in Zukunft auch ein Stimmrecht für ihre minderjährigen Kinder bekommen und im Radio soll eine Mindestquote für deutschsprachige Musik eingeführt werden..
Themen, die die AfD besetzt
Die AfD hatte im Bundestagswahlkampf noch zentral auf das Thema Euro und Krisenmanagement gesetzt, für die Europawahl hat sie die Schwerpunkte verschoben. Euroaustritt ist immer noch ein Stichwort, aber einen starke Euro ohne die südeuropäischen Länder würde die Partei dann vielleicht doch gerne behalten, obwohl „die Wiedereinführung der DM…kein Tabu“ sein darf. Der ESM allerdings soll aufgelöst werden. Ein „Transferunion“ dürfe es nicht geben und die „Brüsseler Bürokratie“ sei um die Hälfte abzubauen. Ansonsten sollen die Banken ihre Rettung selbst bezahlen, der Staat seine Schulden und die Bürger Steuern nach dem Bierdeckelmodell des zu Recht vergessenen Paul Kirchhof. Das klingt nach „für jedeN etwas“ und ist es auch.
Aber Achtung: Das von mir hier benutzte große „N“ wäre zu verbieten, wenn die Partei könnte, wie manche wollten. Zwar behauptet B. von Storch, das Zitat „Multikulti hat die Aufgabe, die Völker zu homogenisieren und damit religiös und kulturell auszulöschen“, sei nicht von ihr, hat sich aber so wenig inhaltlich davon distanziert wie Lucke selbst. Auf der offiziellen Facebookseite der Partei fand sich dann in der Woche vor dem Parteitag folgende Formulierung: „Klassische Bildung statt Multikulti-Umerziehung“. Dazu der Freitag; „Multikulti-Umerziehung“ ist kein rechtspopulistischer Begriff, sondern Neonazi-Jargon, wie eine Google-Suche offenbart. Er kommt selten vor und Google verweist hauptsächlich auf die Jungen Nationaldemokraten und den Ring Nationaler Frauen. Der NPD-Pressesprecher kommentierte, die AfD habe eine „wichtige Eisbrecher- und Türöffnerfunktion für die nationaldemokratische Euro- und EU-Kritik“.
Zwei bedeutsame Sätze aus dem Europawahlprogramm müssen noch erwähnt werden. Zur Bildung heißt es: „Wir fordern, Bildung als Kernaufgabe der Familie zu fördern. Kitas und Schulen müssen dies sinnvoll ergänzen.“ Bildung ist also Kernaufgabe der Familie, nicht öffentliches Gut und BürgerInnenrecht. Das entspricht dem durchgängig konservativ-reaktionären Gesellschaftsbild, das alle Strömungen der Partei verbindet.
Und zum Thema Sozialsysteme und Migration hat ja die AfD schon im Bundestagswahlkampf die Duftmarken gesetzt, denen jetzt die anderen Parteien mehr oder weniger brav folgen. Schon damals hieß es auf Plakaten: „Einwanderung ja, aber nicht in unsere Sozialsysteme!“ BulgarInnen und RumänInnen wurden vor allem als die Übeltäter ausgemacht. Da ist zwar in der Sache nichts dran, wie ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen in einer Stellungnahme eindrucksvoll gezeigt hat, aber Lucke behauptet unverdrossen: „Dann bilden sie eine Art sozialen Bodensatz – einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharrt.“ (zit. nach SZ vom 13. September 2013)
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