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Mit alten Denkweisen brechen Menschen in Attac: Mechthild Kilian

Mechthild Kilian, 72, ist Kunstvermittlerin und aktiv bei Attac Rosenheim. Außerdem engagiert sie sich auch auf Bundesebene.
Mechthild, warst du schon immer ein politischer Mensch?

Politisch aktiv bin ich, seit ich ungefähr siebzehn Jahre alt war. In der Zeit der schwarzen Bürgerrechtsproteste in den USA, als Angela Davis, eine schwarze Professorin, ins Gefängnis gesteckt wurde, gründeten sich auch in Deutschland so genannte Angela-Davis-Komitees. Wir haben in München viele Infostände zu dem Thema organisiert. Da ging es manchmal hoch her; unsere »Freiheit für Angela Davis«- Stände waren immer schnell auch von Alt-Nazis umringt. Ich habe dann mein Abitur nachgemacht und bin aus dem Bayern des Franz Josef Strauß lieber zum Studium nach Bremen gezogen. Kurz zuvor war ich noch in die DKP eingetreten, war in Bremen im MSB Spartakus und an der Hochschule erste weibliche AStA-Vorsitzende. Vor rund dreißig Jahren bin ich dann schließlich über kleine Umwege doch wieder in Bayern, jetzt allerdings in Rosenheim, gelandet. Mit dem Zerfall der realsozialistischen Länder habe ich mich von meinen parteipolitischen Aktivitäten zurückgezogen. SPD oder Grüne waren für mich keine echte Option, und so habe ich mich dann nach einem neuen politischen Zusammenhang umgeschaut.

Warum ist es für dich Attac geworden?

Das Tolle an Attac war und ist für mich, sich auf der einen Seite wirklich fundiert mit Inhalten auseinanderzusetzen, und auf der anderen Seite auch konkret aktiv zu werden. Nicht nur ein Vortrag nach dem anderen, sondern eben auch raus auf die Straße für Kampagnen, Aktionen oder Demos. Und für mich ganz entscheidend war auch, dass Aktionen zivilen Ungehorsams bei Attac dazugehören. Ich halte zivilen Ungehorsam für eine ausgesprochen wichtige Aktionsform, die ja auch durch das Grundgesetz gedeckt ist und gerade angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise an Legitimität gewinnt.

Du engagierst dich in der Regionalgruppe Rosenheim, aber auch in zwei bundesweiten Zusammenhängen: Der Attac-AG gegen rechts und dem FLINTA*-Plenum. Warum diese beiden?

Soziale Ungerechtigkeit war immer etwas, das mich auch emotional empört hat, und weshalb ich aus meiner privilegierten »weißen« Position heraus aktiv werden will. Gleichzeitig ist auch klar, dass es viele verschiedene Formen der Diskriminierung gibt – trotz meiner privilegierten »weißen« Position erlebe ich natürlich auch Diskriminierung als Frau. Und: Es sind nicht nur »Cis-Frauen«, die von patriarchaler Diskriminierung betroffen sind. Diese Unterschied- lichkeit wird versucht, mit dem Begriff FLINTA* zu fassen. Ich persönlich bin eine so genannte Cis-Frau, das heißt, ich fühle mich mit meinem biologischen Geschlecht im Einklang, aber es gibt eben ganz viele Menschen, bei denen es nicht so ist.

Ich habe beruflich viel mit geschichtlichen Themen zu tun. Ich mache zum Beispiel in München Stadtführungen, und da auch Touren auf den Spuren des NS in München. Ich denke, bei der starken Ablehnung dieses Themas in Deutschland spielt der Aspekt der NS-Vergangenheit eine große Rolle. Die faschistische Erziehung folgte einem klar binären Weltbild: Hier die Frauen, die sich in dem für sie abgesteckten Rahmen bewegen und entsprechend viele Kinder kriegen sollen. Und auf der anderen Seite die tapferen, heldenhaften, soldatischen Männer. Und diese Denkweise ist nach 45 Jahren nicht verschwunden, sondern wurde über die Großeltern weitergegeben. Deshalb braucht es eine bewusste Auseinandersetzung, um damit zu brechen.

Die AfD wiederum greift auf die knallharte Binarität, wie sie der Faschismus propagierte, zurück. Sie weiß das Fremdeln mit der Anerkennung verschiedener Geschlechtsidentitäten perfekt für sich zu nutzen. Ihr beständiges Wettern gegen die von ihnen so genannte »Gender-Gaga-Politik« ist für sie der Kitt, um an die gesellschaftliche Mitte anzudocken. Grundsätzlich erfordert ein Überwinden dieses binären Denkens ja, dein bisheriges Weltbild zu hinterfragen. Das ist immer eine Herausforderung, auch in eher linken Zusammenhängen. Aber genau deshalb finde ich gut, dass wir uns auch in Attac und im FLINTA*-Plenum damit beschäftigen, denn sich und seine Positionen regelmäßig zu hinterfragen ist eine wichtige Sache.

Was steht denn bei dir in nächster Zeit in Attac an?

In der AG gegen rechts beschäftigen wir uns gerade mit unserer Beteiligung an einer Kampagne für ein AfD-Verbot. Oft höre ich dazu: Ist es denn nicht undemokratisch, eine Partei zu verbieten, die so viel Zuspruch erhält? Aber dazu habe ich eine klare Haltung. Natürlich stimmt es, dass sich Verbote in der Regel sehr schnell mehr gegen links als gegen rechts richten, weshalb es gut überlegt sein muss, welche Verbote man fordert. Aber wenn eine Partei eindeutig unsere demokratische Ordnung abschaffen will, wenn sie mit rechtsradikalen Politiker*innen besetzt ist, muss sich eine Demokratie auch schützen können, und dafür gibt es Verbotsverfahren. Damit überzeuge ich zwar nicht diejenigen, die bisher AfD gewählt haben, aber ich entziehe der Partei wenigstens die Strukturen, die sie ansonsten nutzen kann, wenn sie in den Parlamenten sitzt. Und ich verhindere, dass sie, ähnlich wie zum Beispiel in Ungarn, die Justiz als unabhängige Instanz abschaffen kann. Häufig wird auch gesagt, nun ja, die NSDAP wurde ja auch verboten, und es hat nichts genützt. Aber gerade dieses Beispiel ist interessant, denn die NSDAP wurde damals in allen Ländern der Weimarer Republik verboten – außer in Bayern. Und genau von dort aus haben sie sich nach dem Putschversuch reorganisiert und sich wiederaufbauen können, um dann nach der Machtübernahme 1933 die Diktatur zu errichten. Und diese Gefahr geht meiner Meinung nach auch von der AfD aus. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir uns auch als Attac deutlich gegen die AfD positionieren!