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»Grüner« Wasserstoff aus Namibia Kolonialismus 2.0

Foto: aremac / photocase
Foto: aremac / photocase

Der Kampf um Zugang zu Rohstoffen und Energie zwischen den Machtblöcken verschärft sich. Ist es bei Rohstoffen zum Beispiel Lithium für die Batterieproduktion für E-Autos, wird auf dem Energiesektor der Import von Wasserstoff vorangetrieben. Dabei spielt für Bundesregierung und die EU Namibia eine bedeutende Rolle. Die Voraussetzungen dort sind ideal – denn sowohl Wind als auch Sonne sind reichlich vorhanden und die Regierung Namibias ist voller Optimismus. Sie sieht die Chance, dass der »grüne« Wasserstoff einen großen wirtschaftlichen Aufschwung und tausende Arbeitsplätze bringen wird.

Ein relativ kleines Unternehmen, Enertrag aus Mecklenburg-Vorpommern, hat – gemeinsam mit dem britischen Partner Nicholas Holdings – das namibische Unternehmen Hyphen gegründet und den Zuschlag für das Mammut-Projekt zur Herstellung »grünen« Wasserstoffs bekommen. Die Investitionssumme für das Projekt, das im südlichsten Teil Namibias in Lüderitz und Umgebung entstehen soll, wird auf 10 Milliarden Euro geschätzt. Auf 4000 km2 sollen zukünftig vier Gigawatt (GW) Energie erzeugt werden – nicht für die lokale Versorgung, sondern für die Export-Produktion von Wasserstoff, beziehungsweise von zwei Millionen Tonnen Ammoniak (Plan 2029). RWE hat einen Vorvertrag für die Abnahme von 300 Tonnen pro Jahr.

Es gibt in Namibia massive Kritik an dem gesamten Vorhaben. Dies wurde auf einer Konferenz von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Herbst letzten Jahres deutlich formuliert. Als Ergebnis haben 19 dieser Organisationen einen Brief an den Präsidenten des Landes aufgesetzt. Zuallererst wird dort festgestellt, dass das Projekt insgesamt völlig intransparent betrieben wird. Deshalb wird eine Offenlegung der größten Ausschreibung in der namibischen Geschichte gefordert, allein schon um jeden Verdacht der Korruption auszuschließen.

Wichtige Fragen und Aspekte stehen im Raum:

– Es gab keine Prüfung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen des Vertrages.

– Die Verpflichtung der namibischen Regierung einer Einlage von 24 Prozent in das Projekt hat zu einer massiven Erhöhung der Verschuldung geführt.

– Das betroffene Gebiet, in dem das Hyphen Projekt realisiert werden soll, gilt als globaler Hotspot der Biodiversität mit einer Reihe endemischer Pflanzen und Tiere, die zum Teil schon durch Phase 1 des Projektes gefährdet sind. Das gilt auch für die Lüderitz-Halbinsel, das einzige Meeresschutzgebiet des Landes.

– Für die Produktion von »grünem« Wasserstoff werden riesige Landflächen zur Verfügung gestellt, die die indigene Bevölkerung während des Völkermords von 1904 bis 1908 verloren hat. Hyphen bekommt hier Zugang zu Land, ohne dass den Opfern der Landenteignung eine Entschädigung angeboten wird. Das reißt alte Wunden auf und zeigt einmal mehr, dass den indigenen Gemeinschaften die natürlichen Ressourcen, die ihnen rechtmäßig zustehen, weiter entzogen werden.

Ausgerechnet Deutschland mit seiner Kolonialgeschichte ist maßgeblicher Treiber und voraussichtlicher Profiteur des Projektes in Namibia. Viele Jahrzehnte lang ist die deutsche Verantwortung für den Genozid an den Nama und Herero verleugnet und verschwiegen worden. Erst das beharrliche Wirken von Nachkommen der beiden Völker hat dazu geführt, dass 2021 ein »Versöhnungsabkommen« zwischen der Bundesrepublik und Namibia abgeschlossen wurde. Aber auch damit wurde nicht »versöhnt« sondern es wurden eher alte Wunden aufgerissen. Das Abkommen sieht zwar unter anderem Zahlungen von 1,1 Milliarden Euro über die nächsten 30 Jahre vor, aber es ist bis heute nicht in Kraft. Die Opfergruppen lehnen die Vereinbarung ab. Sie waren bei den Verhandlungen nicht mit am Tisch, sie wurden kaum gehört und die Zahlungen würden fast gar nicht bei den Opfern landen.

Wir haben eine besondere Verantwortung aus der Geschichte – wir brauchen ein Versöhnungsabkommen, das die Forderungen der Opfergruppen zur Grundlage hat. Wirtschaftsminister Habeck lehnte bei seinem Besuch in Namibia »Energie-Imperialismus« ab. Das würde aber bedeute, dass Projekte für erneuerbare Energien in den Händen lokaler Akteure liegen müssten und zuallererst der lokalen Energieversorgung zu dienen haben. Zudem muss hierzulande hinterfragt werden, wofür Wasserstoff überhaupt benötigt wird und über so weite Strecken transportiert werden soll. Zum Heizen und Autofahren wegen der verlustreichen Umwandlung von Strom in Wasserstoff auf jeden Fall nicht.

Für die Projektgruppe Energie von Attac ist der Kampf gegen Energiekolonialismus und die Unterstützung der zivilgesellschaftlichen Kräfte in Namibia ein Schwerpunkt ihrer Arbeit – wir werden dranbleiben!

Törk Hansen ist Mitglied in der Attac-Projektgruppe Energie.