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Für unteilbare Menschenrechte! Interview mit Moran Avital von Amnesty Israel

Moran Avital, Amnesty International Israel

Judith Amler: Liebe Moran Avital, Amnesty International Israel ist seit langer Zeit für die Menschenrechte aktiv. Was war in den letzten Jahren der Schwerpunkt der Arbeit von Amnesty vor Ort?

Moran Avital: Die letzten Jahre waren global und lokal ereignisreich. Wir kämpften gegen israelische Cyberprodukte, die an dubiose Regime auf der ganzen Welt verkauft werden, die damit gegen die Zivilgesellschaft oder politische Gegner vorgehen, wir kämpfen gegen die Verdrängung von Palästinenser*innen aus öffentlichen Bereichen im Westjordanland, und wir befassen uns mit der Frage des Rechts auf Wasser für Palästinenser*innen in den von Israel kontrollierten Gebieten im Westjordanland. Im vergangenen Jahr, als die israelische Regierung die sogenannte Justizreform ankündigte, unterstützte Amnesty International Israel den demokratischen Protest gegen diese Reform und half, ihn auszuweiten. So haben wir eine öffentliche Konferenz und Workshops organisiert, um eine effektive Methode (»Deep Canvassing«) einzuführen, um Menschen von der Unterstützung des demokratischen Lagers zu überzeugen.

Der 7. Oktober 2023 hat dazu geführt, dass sich die Situation im Nahen Osten erneut auf grausame Weise zugespitzt hat und der Krieg in Gaza nun im Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit steht. 

Seit Beginn des Krieges hat Amnesty International Israel den Schutz von Zivilist*innen im Gazastreifen gefordert. Wir haben zum Beispiel unverhältnismäßige Angriffe der israelischen Exekutive verurteilt, die zu einer so hohen Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen geführt haben – Zivilist*innen zu schützen ist elementar. Wir fordern die Regierung außerdem auf, Verantwortung für die Vertriebenen und obdachlos Gewordenen sowie für den Hunger zu übernehmen, der durch den Krieg verursacht wird. Auf der Grundlage einer Analyse von Meinungsumfragen argumentieren wir außerdem, dass die Art der israelischen Vergeltungsmaßnahmen die Unterstützung der Hamas und ihres Vorgehens in der Bevölkerung des Gazastreifens sogar noch vergrößert.

Unsere Solidarität gehört den Opfern auf beiden Seiten. Attac steht fest an der Seite der Menschen, die sich für eine friedliche, gemeinsame und humane Zukunft für Israelis und Palästinenser*innen einsetzen. Die Erklärungen des Koordinierungskreises von Attac dazu finden sich unter attac.de/nahost-1 und attac.de/nahost-2.

Wie beurteilt Amnesty International Israel die aktuellen Entwicklungen im Westjordanland?

Seit dem Ausbruch des Krieges hat die Gewalt im Westjordanland an Häufigkeit und Schwere zugenommen. Außerdem weisen aktuelle Berichte auf die Zusammenarbeit der Armee mit gewalttätigen Siedlern hin. Wir haben die Regierung aufgefordert, verstärkt gegen gewalttätige Siedler vorzugehen und den Schutz der Palästinenser*innen im Westjordanland zu verbessern.

Bei Amnesty International Israel entwickeln Sie derzeit eine neue Kampagne: die Pro-Human-Kampagne. Was sind die wichtigsten Ziele?

Die Pro-Human-Kampagne ist ein globales Bündnis von Organisationen und Aktivist*innen unter der Leitung von Amnesty International Israel. Ihr gehören derzeit unter anderem The Parents Circle – Families Forum, Rabbis for Human Rights, Standing Together, Mehazkim und weitere Akteure aus der Region Palästina-Israel, den USA und der ganzen Welt an. Inmitten des polarisierten und vergifteten öffentlichen Diskurses nach dem Massaker vom 7. Oktober und den verheerenden israelischen Vergeltungsmaßnahmen kämpft die Kampagne gegen die Entmenschlichung von Palästinenser*innen und Israelis, indem sie Stimmen bündelt und verstärkt, die sich für Menschlichkeit entscheiden, bevor sie Partei ergreifen. Wir lassen uns von der Tatsache inspirieren, dass ähnliche Stimmen sogar von
Palästinenser*innen im kriegsgebeutelten Gazastreifen zu hören sind. Wir sind der Meinung, dass alle Ursachen der Gewalt angegangen werden müssen, um wirkliche Fortschritte zu erzielen.

Wie können zivilgesellschaftliche Gruppen in Deutschland die Kampagne unterstützen?

Aktuell entwickeln wir Workshops, um die Pro- und Anti-Israel-Dichotomie zu überwinden – wir würden uns freuen, wenn diese auch in Deutschland von vielen Gruppen angeboten würden. Und wir freuen uns, wenn unsere Beiträge geteilt werden – im Familien- und Freundeskreis, auf Social Media sowie in politisch aktiven Gruppen. Es ist wichtig, sich für unteilbare Menschenrechte einzusetzen!

Moran Avital ist Campaignerin bei Amnesty International Israel.

Das Interview führte Judith Amler, Attac-AG gegen rechts und Mitglied im Koordinierungskreis von Attac.

Anmerkung: Dieses Interview wurde in englischer Sprache geführt und von uns ins Deutsche übersetzt. In der aktuellen Situation halten wir es für wichtig, eine den unteilbaren Menschenrechten verpflichtete Stimme aus dem Nahen Osten in einem Gastbeitrag zu Wort kommen zu lassen.