128 Organisationen kritisieren Entwurf für Lieferkettengesetz
Bei einer Protestaktion vor dem Reichstagsgebäude in Berlin haben Aktivist*innen der "Initiative Lieferkettengesetz" Nachbesserungen am geplanten Lieferkettengesetz gefordert. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht heute im Bundestag in die erste Lesung. Das Bündnis aus 128 zivilgesellschaftlichen Organisationen, zu denen auch Attac gehört, hält den Entwurf für zu schwach, um Betroffene vor Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen durch deutsche Unternehmen und ihre Zulieferer zu schützen. Auch 50 Unternehmen forderten in einer heute veröffentlichten Erklärung Nachschärfungen an dem Gesetz.
"Die Abgeordneten müssen den Gesetzentwurf jetzt nachbessern – damit Unternehmen Menschenrechte und Umweltschutz endlich auf die Kette bekommen. Und zwar auf die gesamte Lieferkette! In der jetzigen Form hilft das Gesetz den Betroffenen zu wenig", sagt Johanna Kusch, Koordinatorin der Initiative Lieferkettengesetz.
Insbesondere stehen die abgestuften Sorgfaltspflichten von Unternehmen in der Kritik: Bei mittelbaren Zulieferern, also nach dem zweiten Glied der Lieferkette, müssen Unternehmen nach Plänen der Regierung das Risiko nicht präventiv minimieren, sondern erst dann aktiv werden, wenn sie "substantiierte Kenntnis" von einer möglichen Menschenrechtsverletzung erlangen. Das Bündnis kritisiert darüber hinaus, dass der Entwurf die Rechte von Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen kaum stärkt und Umweltstandards nur am Rande berücksichtigt.
Gerade am Beginn globaler Lieferketten herrschen oft katastrophale Arbeitsbedingungen. Der Gesetzentwurf greift an dieser Stelle viel zu kurz – und widerspricht damit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Denn Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt ist keine Frage der Unternehmensgröße – das sehen selbst zahlreiche Unternehmen so.
Das Gesetz beträfe in dieser Form zunächst nur etwa 600 Unternehmen ab 3000 Mitarbeitenden. Kritik daran kommt nicht nur von zivilgesellschaftlicher Seite, sondern auch von zahlreichen Unternehmen selbst. In einer heute auf der Website des Business and Human Rights Resource Centre veröffentlichten Stellungnahme sprechen sich 50 Unternehmen für ein wirkungsvolleres Lieferkettengesetz aus, das sich konsequent an internationalen Standards orientiert und die Rechte von Betroffenen stärkt. In der Liste finden sich der börsennotierte Duft- und Aromenhersteller Symrise und die Tchibo GmbH ebenso wie das mittelständische Familienunternehmen Beckers Bester und weitere große, mittlere und kleine Unternehmen.
Die Initiative Lieferkettengesetz ist ein Zusammenschluss von 128 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter neben Attac der DGB, Greenpeace, Brot für die Welt und zahlreiche weitere Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen sowie Gewerkschaften und kirchliche Akteure.