TTIP-Leak: Regulatorische Kooperation hebelt Demokratie aus
Die EU-Kommission will das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP nutzen, um die parlamentarische Mitsprache bei zukünftigen Regulierungsfragen auszuhebeln. Das geht aus dem kürzlich bekannt gewordenen EU-Papier zur regulatorischen Kooperation hervor.
Kommission will Parlamente entmachten und Vorsorgeprinzip ausschalten
Geplant ist ein neues, mit EU- und US-Vertretern besetztes Gremium mit weitgehenden Informations- und Mitspracherechten auch bei nationalen Gesetzgebungsprozessen, in die es noch vor den Abgeordneten einbezogen werden müsste. Das Gremium hätte so beispielsweise erheblichen Einfluss darauf, ob und wie der Finanzspekulation dies- und jenseits des Atlantiks Grenzen gesetzt werden. Steffen Stierle von der Attac-Kampagnengruppe "TTIP in die Tonne": "Demokratisch gewählte Abgeordnete sollen zugunsten kleiner Technokraten-Kreise entmachtet werden, die noch dazu per Gesetz dem massiven Einfluss von Lobbyisten ausgesetzt werden. Das ist ein Skandal."
Der Vorschlag läuft zudem faktisch auf eine Abkehr von dem in der Europäischen Union geltenden Vorsorgeprinzip hinaus, gegen das Vertreter der US-Regierung gemeinsam mit Konzernen auf beiden Seiten des Atlantiks bereits heute massiv Druck machen. Anders als in den USA werden in der EU beispielsweise Chemikalien nur zugelassen, wenn deren Unschädlichkeit bewiesen ist. In den USA dagegen sind Verbote erst erlaubt, wenn eindeutige, unwiderlegbare und juristisch festgestellte Schäden eingetreten sind. Steffen Stierle: "Mit der regulatorischen Kooperation sollen Regulierungen künftig nicht mehr dadurch zu rechtfertigen sein, dass eine Mehrheit der Bevölkerung sie für notwendig hält. Eingriffe ins Marktgeschehen im Sinne etwa des Verbraucherschutzes sind dann nur noch legitim, wenn der Schaden schon eingetreten ist. Regeln kommen erst, wenn es schon zu spät ist."
Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis: "Das bekannt gewordene Geheimpapier zeigt einmal mehr, dass Wirtschaftsminister und EU-Kommissare wissentlich die Unwahrheit sagen, wenn sie behaupten, in der EU geltende Standards und Regulierungsrechte stünden nicht zur Disposition. TTIP ist und bleibt eine breit angelegte Attacke gegen soziale Rechte, die Umwelt und die Demokratie."
TTIP-Gegner aus EU und USA treffen sich kommende Woche in Brüssel
Am Montag beginnt in Brüssel die achte TTIP-Verhandlungsrunde. Parallel dazu treffen sich am Montag und Dienstag Vertreterinnen und Vertreter der europäischen und nordamerikanischen Zivilgesellschaft in der belgischen Hauptstadt, um ihren Widerstand gegen die geplanten Freihandelsabkommen weiter zu koordinieren und gemeinsame Aktionen zu planen. An dem Treffen beteiligen sich zahlreiche Aktive des europäischen Attac-Netzwerkes.