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Nie wieder ist jetzt! – Rundbrief 3/2024

Es hätte zweifellos noch schlimmer kommen können: Zumindest in Dänemark, Schweden und Finnland gab es bei den Europawahlen keine Zuwächse bei den Rechtsradikalen, sondern Freude eher im linken Spektrum.

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Du lebst in Argentinien und bist dort gegen den Lithiumabbau aktiv. Dabei kritisiert ihr auch das Mercosur-Abkommen. Welche Auswirkungen hätte es auf den Lithiumabbau?

Im Februar 2024 empfing die EU-Kommission eine argentinische Delegation der neuen Regierung von Javier Milei in Brüssel, die ihr Interesse an strategischen Partnerschaften in den Wertschöpfungsketten kritischer Materialien bekundete. Zuvor hatte die EU-Kommission im Jahr 2019 ein wirtschaftliches Abkommen mit dem Mercosur unterzeichnet. Die Projekte im Mercosur umfassen Programme der Energiewende, der Produktion von grünem Wasserstoff, der digitalen Infrastruktur und insbesondere der Gewinnung und Industrialisierung von Lithium. Das Abkommen zielt darauf ab, die Lieferkette dieses Minerals zu konsolidieren, das als elementar für die Elektrifizierung der Automobilindustrie gilt.

Bislang wurde das Abkommen noch nicht umgesetzt. Es verspricht Unternehmen viele Vorteile, aber was ist mit den Gemeinden, was mit den Umwelthaftungen?

Der Lithiumabbau in Südamerika hat bereits zu schwerwiegenden Umweltschäden am Grundwasser sowie zur Kriminalisierung und strafrechtlichen Verfolgung indigener Gemeinschaften geführt, ohne dass deren Rechte oder internationale Konventionen respektiert werden. Die Umweltvorschriften in Europa und Südamerika sind nicht gleichwertig und nicht streng genug. So begünstigt und fördert das Abkommen transnationale Investitionen in Bergbauprojekte, die die empfindlichen Ökosysteme, in denen das Lithium abgebaut wird, bedrohen.

Wie ist der Widerstand gegen den Lithiumabbau in Argentinien organisiert? 

Siebenundsechzig Prozent der weltweiten Lithiumreserven befinden sich im so genannten Lithiumdreieck, das aus Bolivien, Chile und Argentinien besteht. In unserem Land ist das Mineral in Catamarca, Salta und Jujuy konzentriert. Als »weißes Gold« wird der lithiumhaltige Boden der indigenen Gemeinschaften in dieser Gegend bezeichnet. Sie organisieren sich seit dem Lithiumboom in unserem Land, um die Schäden aufzudecken, die er dort verursacht. Wir erfassen und systematisieren seit mehr als zehn Jahren die Schäden, die auf unterschiedlichen Ebenen entstehen – sozio-ökologisch, territorial, aber auch in der Art und Weise, wie versucht wird, einen einseitigen Diskurs über Entwicklung und Fortschritt durchzusetzen. Es gibt viele Formen von Widerstand: Sie reichen von juristischen Auseinandersetzungen über Volksbegehren bis hin zu Straßenblockaden und sind Teil der Roadmap sozialer Kämpfe, die ökologische und politische Alternativen zum hegemonialen Diskurs von Modernität und Entwicklung bieten. Im März 2024 hat die indigene Gemeinde Atacameños del Altiplano in Antofagasta de la Sierra (Catamarca, Argentinien) eine gerichtliche Verfügung erwirkt, die neue Genehmigungen für Projekte in Planung untersagt. Ein symbolträchtiger Fall, da in dem Urteil auch gefordert wird, dass eine kumulative und umfassende Umweltverträglichkeitsstudie über die Entwicklung der tödlichen Bergbauaktivitäten im Salar del Hombre Muerto durchgeführt wird und die indigene Gemeinschaft unabhängig, im Voraus und in Kenntnis der Sachlage konsultiert wird.

Welchen Problemen begegnet ihr derzeit?

Die Art und Weise, wie Lithium gewonnen wird, basiert auf einer Matrix ungleicher Aneignung und ungleichen Verbrauchs, auf dem Rücken von Menschen, deren ökologischer Fußabdruck einen verschwindend kleinen Teil eines durchschnittlichen ökologischen Fußabdrucks im Globalen Norden ausmacht. Dem Versprechen von Vorteilen für wenige werden ganze Landstriche geopfert, und die Fortsetzung einer Mobilitätspolitik, die auf dem Individualverkehr basiert, wird festgeschrieben. Es geht auch um Wasser. Die Ökosysteme der Hochanden, in denen Lithium abgebaut wird, sind empfindlich, Wasser ist dort knapp. Und wir wissen bereits: Lithiumabbau ist Wasserabbau. Die nicht wiedergutzumachenden Schäden sollen finanziell entschädigt werden – die Wiedergutmachung des Nichtwiedergutmachbaren. Es gibt viele ökologische und soziale Herausforderungen in einer Gesellschaft, die Gemeingüter nur als Ressourcen betrachtet; im Falle Argentiniens kommt eine rechtsextreme Regierung mit dem Glauben an unbegrenztes Wachstum dazu. Wie die USA versucht auch die EU, ihren Zugang zu den Rohstofflieferketten zu sichern, ohne das mit konkreten Zielen zur Begrenzung der Gesamtnachfrage und des Verbrauchs von Rohstoffen in der EU zu verknüpfen. Gleichzeitig erkennt die Europäische Union die ökologische Schuld gegenüber Lateinamerika immer noch nicht an, und das Abkommen fördert eine neue Verschuldung durch Kredite.