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Freihandel und Demokratie Demokratie adé?

Was haben Handelsabkommen mit der Demokratie zu tun? Mehr, als man denken könnte! Zunächst einmal beschränken sich Handelsabkommen schon lange nicht mehr darauf, Zölle, Quoten oder Exportsubventionen abzubauen. Vielmehr folgen sie der Idee, dass so, wie Zölle den freien Handel behindern, dies auch Umweltgesetze oder Arbeitsschutzgesetze tun. Ebenso Verbraucherschutzgesetze oder technische Normen. Oder öffentliche Dienstleistungen und Sozialsysteme. Ja, letztlich alle demokratischen Gesetze, die dem privaten Gewinnstreben in irgendeiner Weise wohlbegründete Grenzen setzen.

Vertreter*innen einer neoliberalen Handelspolitik sehen überall Bedrohungen des Freihandels durch Protektionismus – „Handelshemmnisse!“ –, werden aber von niemandem zurückgepfiffen. Ein Umweltgesetz? - Das soll doch nur ausländische Konkurrenz verhindern! Öffentliches Bildungswesen? - Das beschränkt den Handel mit Bildungsdienstleistungen! Öffentliche Träger von Gesundheitseinrichtungen? - Die behindern den Wettbewerb! Finanzmarktregulierung? -Das verstößt gegen die Rechte ausländischer Investoren! Datenschutz - Protektionismus!

Nicht erst die Corona-Pandemie und die Klimakatastrophe haben gezeigt, dass ein solcher Weg fatal ist. Demokratie bedeutet, dass wir nicht Knechte des Marktes sind, sondern Bürgerinnen und Bürger. Die Bedingungen, unter denen wir leben und handeln, sind politisch gestaltbar. Grundlegende Probleme unseres Zusammenlebens von der Gesundheitsvorsorge bis hin zur Rettung des Planeten erfordern gemeinsame, demokratisch beschlossene Regeln. Anders als die EU-Handelsverträge nach wie vor unterstellen, ist der Markt eben nicht der optimale Universalproblemlöser für alles und die Politik nicht bloß „Willkür“, wie in der Sicht der Unterhändler der Handelspolitik.

Aber müssen sich denn Staaten überhaupt darum kümmern, was in diesen Verträgen steht? Nun, es ist so: Solche Verträge sind zunächst einmal völkerrechtlich verbindlich – jedoch setzen sich Staaten drüber hinweg. Dann sind die Verträge aber hier auch Teil des EU-Rechts – da wird es schon deutlich schwieriger.

Und schließlich sehen sie auch noch vertragseigene Schiedsgerichtbarkeiten und als entscheidungsbefugte übergeordnete Institution einen Gemeinsame Ausschuss vor, – nur keine Parlamente; und auch eine Beteiligung des Bundestages oder des EU-Parlaments ist nicht vorgesehen, selbst die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten sitzen nur am Katzentisch.

Betrachten wir zunächst die Gerichtsbarkeit in Handels- und Investitionsverträgen. Dahinter verbirgt sich erstens ein zwischenstaatliches Schiedsgericht der Vertragsparteien. Vor diesem könnte zum Beispiel Kanada im Rahmen von CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement; Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen) klagen, wenn die EU beschlösse, den Import von klimaschädlichem Teersandöl zu begrenzen. Wenn Kanada Recht bekäme, hätte Kanada Anspruch auf Entschädigung und könnte z.B. höhere Zölle auf deutsche Autos erheben. So weit, so schlecht.

Noch viel schlechter ist aber die andere Sorte von Schiedsgerichten, die Streitigkeiten zwischen Investoren und Vertragsstaaten außerhalb der staatlichen Rechtsprechung

regeln. In diesen Streitbeilegungsverfahren (ISDS; investor-state disput settlement) kann Investoren hoher Schadenersatz aus Steuergeldern zuerkannt werden, wenn sie das Schiedsgericht davon überzeugen können, dass ihre Gewinnerwartungen durch politische Maßnahmen wie z.B. ein neues Umweltgesetz beeinträchtigt sind.

Und schließlich sind da noch die Ausschüsse in CETA und Co.: CETA z.B. beinhaltet eine spezielle Struktur aus Fachausschüssen, die sich mit der Umsetzung des Abkommens beschäftigen. Über ihnen ist der Gemeinsame Ausschuss angesiedelt, an den die Fachausschüsse berichten. Dieser übergeordnete Ausschuss kann sogar Änderungen des Abkommens beschließen. Das Europäische Parlament spielt erst dann eine Rolle, wenn aus einer Einigung im Gemeinsamen Ausschuss eine Änderung einer geltenden Gesetzeslage der EU notwendig würde. Diese Entscheidungen müssen dann vom Deutschen Bundestag und Bundesrat umgesetzt werden – ohne jeden Spielraum!

 

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Mehr Infos zu den Ausschüssen gibt es in diesem lesenswerten FAQ von foodwatch.