Attac-Pressemitteilungen zu G8/G20-Gipfeln
Offener Brief an die G20
Mehr als 30 Verbände und Netzwerke, darunter auch mehrere europäische Attacs, haben die G20 in einem gemeinsamen offenen Brief aufgefordert, die Finanztransaktionsteuer jetzt zu beschließen. (deutsche Fassung, Original in englisch)
Positionspapier der Projektgruppe Krisen zum G20-Gipfel
Die Projektgruppe Krisen hat zum Gipfel in Pittsburgh ein Positionspapier verfasst. Darin werden die unzureichenden Antworten der G20 auf die Weltwirtschafts-, Ernährungs- und Umweltkrise kritisiert und konkrete Alternativen aufgezeigt.
Das Papier gibt es auch als PDF zum Download.
Positionen der Projektgruppe Krisen von Attac Deutschland anlässlich des G20-Gipfels 2009 in Pittsburgh
Erste Schritte für eine solidarische Weltwirtschaft – gerecht umverteilen, Märkte zurückdrängen
Seit mehr als zwei Jahren entfaltet sich die Weltwirtschaftskrise und trifft global immer neue Bevölkerungsgruppen in ihren Existenzgrundlagen. Was mit dem Platzen der Immobilienblase in den USA im Jahr 2007 begann, hat dazu geführt, dass die Anzahl der Hungernden weltweit auf eine Milliarde Menschen angestiegen ist, dass innerhalb der EU, insbesondere in Lettland und Irland, eine Politik des Sozialkahlschlags betrieben wird und in der Bundesrepublik Hunderttausende in Kurzarbeit geschickt oder entlassen werden.
Die beiden bisherigen und auch der dritte in Pittsburgh stattfindende G20-Gipfel gehen weder die Ursachen der Krise an, noch tragen sie den sozialen Folgen der Krise Rechnung. Von einer umfassenden Re-Regulierung der Finanzmärkte kann trotz epochaler ökonomischer Verwerfungen bisher nicht gesprochen werden. Stattdessen wird dafür gesorgt, dass die Banken schnell wieder in die Gewinnzone kommen; die Umverteilungsmaschine von unten nach oben wird neu geschmiert. Sämtliche Vorschläge zur Bewältigung der Wirtschaftskrise ignorieren die anderen Dimensionen der Krise – die Krise der globalen Gerechtigkeit, die Ernährungs-, die Klima- und Energiekrise.
Eine zentrale Ursache für die aktuelle Weltwirtschaftskrise ist die Konzentration von Reichtum in den Händen weniger – sowohl global betrachtet als auch auf die einzelnen Länder bezogen. Diese Konzentration von Finanzkapital hat die Dynamik und Blasenbildung der Finanzmärkte ermöglicht.
Die grundlegende Bearbeitung der sozialen Ungleichheit und der globalen ökonomischen Ungleichgewichte ist der entscheidende erste Schritt zu einer solidarischen Weltwirtschaft. Für diese Aufgabe ist der Club der G20 nicht das richtige Forum. Weltwirtschaftliche Themen in einem größeren Kreis als dem der G8 zu besprechen, ist ein richtiger Schritt, allerdings ändert dies grundsätzlich nichts an der Exklusivität und Intransparenz der Gespräche. Stattdessen sind jetzt die Vereinten Nationen mit ihrem Mindeststandard internationaler Demokratie ein geeigneteres Forum. Dass die UN-Konferenz zu den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise im Juni 2009 in New York und die dort diskutierten Strategien derart von den Regierungen der G20 marginalisiert wurden, zeigt, dass substanzielle kooperative und soziale Lösungen nicht angestrebt werden.
Zu einer erfolgreichen Krisenbekämpfung auf globaler Ebene gehört immer auch eine entsprechende Politik im eigenen Land. Denn anders, als die Bundesregierung uns glauben machen will, ist diese Krise nicht nur auf Grund der Fehler anderer über uns gekommen. Die deutsche Exportfixierung gehört ebenso zu den Krisenursachen wie eine auf EU-Ebene betriebene Politik, die immer mehr Lebensbereiche immer stärker deregulierten Märkten unterwirft. Wer nicht bereit ist, mit dieser Praxis zu brechen, bekämpft nicht die Ursachen der Krise; er trägt vielmehr dazu bei, dass die Kosten der Krise auf Menschen abgewälzt werden, die ihre Ursachen nicht zu verantworten haben. Eine solche Politik ist nicht nur zutiefst ungerecht, sondern legt bereits den Grundstein für die nächste Krise.
Als erste Maßnahmen für eine solidarische Weltwirtschaft schlägt Attac folgende Schritte vor:
Soziale Sicherung: Ernährungssouveränität & Nahrungsmittelgrundeinkommen durchsetzen; Beschäftigung schaffen & den öffentlichen Sektor ausbauen
Zusätzlich zu den bereits Verarmten werden noch weitere Millionen von Menschen unter die jeweilige regionale Armutsgrenze gedrückt werden. Im Süden hat die Anzahl der Hungernden bereits um mehr als 150 Millionen zugenommen. Zusagen wie vom G20-Gipfel in London, über IWF und Weltbank Mittel für die Länder des Südens bereitzustellen, bedeuten nicht, dass damit die sozialen Folgen der Krise abgefedert würden. Das World Food Programm zum Beispiel verzeichnet dieses Jahr bereits Mindereinnahmen von drei Milliarden Dollar und kürzt seine Aktivitäten. Neben dem Stopp einer weiteren Liberalisierung der Agrarmärkte fordert Attac die Durchsetzung des Prinzips der Ernährungssouveränität und ein globales Nahrungsmittelgrundeinkommen (Basic Food Income).
In Ländern, in denen es entwickelte soziale Sicherungssysteme gibt, droht in den kommenden Monaten und Jahren auf Grund der Krisenkosten ein weiterer Kahlschlag, zum Teil auf Druck des IWF. Attac fordert den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme; sie müssen solidarisch internationalisiert werden. Eine der zentralen Folgen der Krise ist die massive Vernichtung von Arbeitsplätzen, in Deutschland bisher Hunderttausende, in den USA und in China Millionen. Eine zentrale Gegenmaßnahme ist die international koordinierte Schaffung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Sektor. Global hat der Sektor öffentlicher (Basis-)Dienstleistungen massiv unter dem neoliberalen Strukturwandel gelitten. Hier besteht sowohl Nachhol- als auch Erweiterungsbedarf.
Finanzmärkte schrumpfen und Banken in öffentliche Hände
So genannte „Finanzinnovationen“ haben in den vergangenen Jahren die Blasenbildung an den Finanzmärkten befördert. Um die Weltwirtschaft zu stabilisieren und die Umverteilung von Arm zu Reich zu stoppen, sind die Finanzmärkte zu schrumpfen: Außerbilanzielle Zweckgesellschaften und Hedgefonds müssen verboten, die Eigenkapitalvorschriften für Banken erheblich erhöht, ein konsequenter Finanzmarkt-TÜV eingeführt werden. Um eine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte systematisch zu ermöglichen, müssen die Banken in die öffentliche Hand überführt werden. Zur demokratischen Kontrolle gehört aber auch, dass die Zentralbanken den Regierungen unterstellt werden und der parlamentarischen Kontrolle unterliegen.
Weltwirtschaft: Freihandel stoppen und Ungleichgewichte bekämpfen
Die globalen ökonomischen Ungleichgewichte sind eine wesentliche Ursache für die Instabilität derglobalen Ökonomie und die aktuelle Krise. Der „Exportweltmeister Deutschland“ exportiert auch Arbeitslosigkeit und Armut, weil den Überschüssen hier zu Lande Schulden anderswo gegenüberstehen. China und Russland fordern bereits, den US-Dollar als Weltreservewährung zu ersetzen. Die Sonderziehungsrechte beim Internationalen Währungsfonds wurden schon aufgestockt und sollen zukünftig die Liquidität der Staaten verbessern. Allerdings erscheint der undemokratische IWF für diese Aufgabe auf die Dauer kaum geeignet, und diese Reform allein ist bestenfalls ein erster
Schritt in die richtige Richtung, um die Spielräume für Wirtschaftspolitik in den besonders unter der Krise leidenden Staaten etwas zu stärken. Wesentlich besser geeignet wäre eine Internationale Ausgleichsunion (International Clearing Union): Die ICU sieht neben festen Wechselkursen auch die Einführung von strikten Kapitalverkehrskontrollen und einen Ausgleich zwischen Defizit-und Überschussländern vor. Krise leidenden Staaten etwas zu stärken. Wesentlich besser geeignet wäre eine Internationale Ausgleichsunion (International Clearing Union): Die ICU sieht neben festen Wechselkursen auch die Einführung von strikten Kapitalverkehrskontrollen und einen Ausgleich zwischen Defizit-und Überschussländern vor.
In der EU ist das allerdings nur bei einer gleichzeitig grundlegenden Änderungen in den EU- Verträgen möglich: Zentralbanken müssten demokratischer Kontrolle unterstellt werden und der Kapitalverkehr müsste wesentlich stärker regulierbar sein. Wer heute noch den Vertrag von Lissabon in Kraft setzen will, beraubt sich nicht nur wichtiger Krisenbewältigungsinstrumente, sondern bejaht diejenigen Strukturen, die mit zu dieser Krise geführt haben.
Viele Maßnahmen, die auf globaler Ebene wünschenswert wären, könnten als erster Schritt auch im Euroraum oder auf EU-Ebene eingeführt werden. Ein Beispiel dafür wäre eine Finanztransaktionssteuer. Dazu wäre keine Vertragsänderung nötig.
Beide vorhergehenden G20-Gipfel in Washington und London haben bekräftigt, die Doha-Runde der Welthandelorganisation (WTO) nach neun Jahren zum Abschluss bringen zu wollen. Die Freihandelspolitik ist wesentlich mit verantwortlich für die Entstehung globaler Ungleichgewichte, die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten -insbesondere der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern -und nicht zuletzt für die weit reichenden Handlungsspielräume von Banken und anderen Finanzmarktakteuren. Dennoch steht auch in den aktuellen Verhandlungen eine Verschärfung der Liberalisierung zu Gunsten der Finanzkonzerne auf der Agenda. Auch führte eine weitere Liberalisierung der Märkte aller Art zu der Intensivierung der Standortkonkurrenz. Attac fordert deshalb einen Stopp dieser Freihandelspolitik. Auch hier könnte die EU im Alleingang ein erstes wichtiges Signal setzen, indem sie mit der Freihandelslogik bricht, die ihrer Global Europe Strategie zu Grunde liegt.
Steuergerechtigkeit: Steueroasen trockenlegen und Profiteure zur Kasse bitten
Die bisherigen Pläne der G20 zum Thema Steueroasen sind nicht mehr als Gipfel-PR. Die systematische Trockenlegung des Offshore-Finanzsystems muss auf die Agenda. Dafür braucht es einen international automatischen und verbindlichen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden. Internationale und höhere nationale Steuern, die die Profiteure des Finanzmarktkapitalismus zu Kasse bitten, sind notwendig, um einerseits Krisenkosten zu bezahlen und andererseits die Finanzmärkte zu schrumpfen.
Erste Schritte sind für Attac eine internationale Finanztransaktionssteuer, höhere Einkommenssteuern für Reiche und eine international koordinierte Sonderabgabe auf große Vermögen. Auch hier mangelt es den Vertretern der EU, Deutschlands und anderer EU- Mitgliedsstaaten bei vielen vorgetragenen Forderungen an Glaubwürdigkeit, da vieles, was im Rahmen der G20 gefordert wird, auch auf nationaler oder EU-Ebene eingeführt werden könnte, dort aber nicht ernsthaft angegangen wird.
Projektgruppe Krisen, September 2009