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Wasser und Globalisierung

Wasser ist der Ursprung und Quell allen Lebens. Dennoch hat es Jahrzehnte gedauert, bis am 28. Juli 2010 die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Recht „auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung als ein Menschenrecht” anerkannte, „das unverzichtbar für den vollen Genuss des Lebens und aller Menschenrechte ist”. Doch die entsprechende Resolution hat, anders als internationale Verträge, keine völkerrechtliche Qualität. Sie ist lediglich ein politisches Statement. Zwar heißt es in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, jeder habe „das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung“ – was man nicht anders interpretieren kann, als dass auch Zugang zu Wasser dazugehört. Dieser Auslegung entspricht auch Artikel 112 des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der den Schutz vor Hunger festlegt – was ja sicherlich auch den Durst umfassen muss. Und dennoch leiden weltweit etwa 750 Millionen Menschen unter fehlendem Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Wie kommt es dazu? Werfen wir dazu einen Blick nach Deutschland. Der durchschnittliche Direktverbrauch einer/eines Deutschen an Wasser beträgt 124 Liter pro Tag. Der indirekte Konsum hingegen beträgt 3000 bis 5000 Liter Wasser pro Tag pro Kopf, also mehr als das Zwanzigfache. Der geringste Teil dieses Wassers wird jedoch in Deutschland selbst verbraucht. Ein überproportional großer Anteil davon entfällt durch die Produktion von Lebensmitteln, Tierfutter und Textilien auf Asien und Afrika. Etwa sind für die Herstellung einer Jeans ca. 6600 Liter Wasser vonnöten. Eine Textilproduktionskette, die mit Baumwolle aus beispielsweise Bangladesch arbeitet, verbraucht viel Wasser vor Ort, das dann der bengalischen Bevölkerung fehlt – nicht den Käufern des Endprodukts. Ähnlich sorgen Rosen aus Tansania und Grüne Bohnen aus Kenia für die Verknappung der Wasserreserven des Kilimandscharo – nicht die deutscher Haushalte. Die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden. Somit ist Wasserzugang immer ein globales Thema und die Wasserversorgungskrise auch in unserer Verantwortung.

 

Die Wasserversorgungskrise

Wir leben heute inmitten einer globalen Wasserversorgungskrise: Knapp 750 Millionen Menschen fehlt der Zugang zu sauberem Trinkwasser komplett und etwa 2,5 Milliarden der Zugang zu sanitären Anlagen. 3000 Kinder sterben täglich an den Folgen dieser Krise. Weltweit sorgt verschmutztes Trinkwasser für schwere Durchfallerkrankungen und Mangelernährung. Weiter werden etwa 20 Prozent der bestehenden Grundwasserreserven schneller verbraucht, als sie sich erholen können. Hinzu kommt, dass vielerorts der Ertrag der Landwirtschaft maßgeblich von der Bewässerung abhängt: je weniger Wasser, desto schlechtere Ernten, desto mehr Hungerleidende. Gleichzeitig ist die Landwirtschaft auch einer der weltweit größten Verschmutzer und Verschwender von Wasser. Die industrielle Landwirtschaft verbraucht Wasser in historisch ungekannten Größenordnungen. In Deutschland werden jährlich etwa 160 Milliarden Kubikmeter Wasser verbraucht. Davon entfallen 5,5 Milliarden auf die privaten Haushalte, knapp 19 Milliarden auf deutsche Industrieprodukte und knapp 16 Milliarden auf aus dem Ausland importierte Industrieprodukte. Den Löwenanteil benötigen mit knapp 56 Milliarden Kubikmeter deutsche und mit knapp 62 Milliarden aus dem Ausland eingeführte Agrarprodukte. Doch der größte Teil dieses Wassers wird völlig ineffizient eingesetzt. Eines ist sicher: Eine Gewährleistung des Menschenrechts auf Zugang zu Wasser wird ohne eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft nicht zu haben sein.

Heute, im Jahr 2017, sind allein in Ostafrika und im Jemen 23 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. Doch anstatt die Ursachen der Krise, zu denen auch die globale Wasserversorgungskrise gehört, zu bekämpfen, haben die G20 noch einen draufgesetzt und im Juni dieses Jahres mit dem „Marschall-Plan für Afrika“ verkündet, man wolle private Investitionen in Afrika stärken. Jene privaten Investoren, die den Bauern vor Ort das Land nehmen, darauf wasserintensive Landwirtschaft betreiben und so den lokalen Bevölkerungen das Wasser rauben, Unternehmen, die in der Regel nur ein sehr geringes Interesse daran haben, der Bevölkerung eine kostenlose flächendeckende Trinkwasserversorgung zur Verfügung zu stellen. In eigenwilligen Diskussionen machen die Konzerne, aber auch internationale Stiftungen und Regierungen als Hauptproblem immer wieder einen realen Mangel an sauberem Wasser aus. Dabei ist es grundsätzlich zwar durchaus richtig, dass es unterschiedliche Gründe geben kann, warum Menschen der Zugang zu sauberem Trinkwasser fehlt. Dass aber in vielen Fällen der Trinkwassermangel auf die Konzerne selbst zurück geht, und nicht natürlichen Faktoren geschuldet ist, wird in diesen Diskussionen strategisch verschwiegen. Diesem Mangel sei am ehesten abzuhelfen – so die durchaus interessengeleitete Schlussfolgerung wenn private Investoren hygienisch einwandfreies Wasser in Flaschen flächendeckend zum Verkauf anbieten. Und auch auf den Einwand, dass den Armen zu dessen Kauf das Geld fehle, haben sie eine Antwort bereit: Für das Einkommen der Leute seien nicht die Konzerne, sondern die Regierungen sowie die internationale Entwicklungszusammenarbeit zuständig. So schließt sich ihr Argumentationskreis: Die Konzerne wollen, dass die Regierungen private Investitionen (nicht nur) in die Wasserwirtschaft mit Steuergeldern aufstocken und absichern. Ebenfalls mit öffentlichem Geld sollen die Menschen vor Ort in die Lage versetzt werden, das teure, von den Konzernen vermarktete Trinkwasser zu bezahlen. Und wenn die Projekte schließlich scheitern, tragen die öffentlichen Hände als Teil der privat-öffentlichen Partnerschaften auch noch das finanzielle Risiko. Es ist bereits jetzt absehbar, dass der „Marschall-Plan für Afrika” viele Hungertote und Verdurstende fordern wird.

Ein abscheuliches Paradebeispiel der Auswirkungen dieser G20-Politik bietet die Firma Nestlé. Weltweit erwirbt Nestlé Wassernutzungsrechte von korrupten Regierungen. Dort pumpt die Firma, unter anderem auch in extremen Trockenregionen wie Nigeria, Südafrika und Äthiopien, das Leitungs- und Brunnenwasser ab, füllt dieses in akribisch abgeriegelten Umfüllfabriken in Plastikflaschen und verkauft es schließlich zu überhöhten Preisen weiter. Diese Preise können sich die armen Bevölkerungsschichten kaum leisten. In Äthiopien etwa pumpt Nestlé Waters 50 000 Liter Wasser am Tag ab – in etwa die Menge, welche die Regierung Äthiopiens für die Bevölkerung zur Verfügung stellen kann. Die Tätigkeit von Nestlé soll in Äthiopien weiter ausgebaut werden, eine Milchproduktionsfirma ist in Planung. An diesem Raub macht Nestlé Milliardengewinne (6 Milliarden US-Dollar jährlich laut dem Magazin Stern), während vor den Zäunen ihrer Wasserfabriken die Bevölkerung buchstäblich verdurstet. Zusätzlich dazu sinken durch die Pumpen die Grundwasserpegel, wodurch der Zugang zu sauberem Trinkwasser noch um ein Vielfaches erschwert wird und für die Wasserversorgung der Bevölkerung nichts getan wird. Diese sinkenden Grundwasserpegel stellen eine existenzielle Bedrohung für Millionen Menschen dar. Insbesondere Nomadenvölker, weltweit etwa 200 Millionen Menschen, leiden akut unter diesem Raubbau, da diese auf Brunnen, Oasen und Seen angewiesen sind. Ein weiteres Problem, das die niedrigen Pegelstände mit sich bringen, ist die an vielen Orten drohende Überflutung des Grundwassers durch salziges Meereswasser, wie beispielsweise in Bangladesch und Neuseeland.

Aus einer Vielzahl weiterer Gefahren, welche die globale Wasserversorgung bedrohen, sollen hier noch zwei kurz erwähnt werden, die auch Deutschland unmittelbar betreffen: Die Verunreinigung durch Kohle oder Chemikalien ist eine lauernde Gefahr für Großteile der weltweiten Grundwasservorkommen. Eine neuere Ursache hierfür kann Fracking sein, bei dem mit jeder Bohrung über 1000 Tanklaster mit Chemikalien versetztes Wasser in die Erde geschossen werden. Fracking wird zukünftig auch in Deutschland stattfinden können. Aktuell bedeutsamer ist aber, dass die europäische Wasserrechtsrahmenrichtlinie in Deutschland derzeit so mangelhaft wie kaum irgendwo sonst in der EU umgesetzt wird, weshalb der Zustand der Oberflächengewässer in der Bundesrepublik fast durchgängig als schlecht einzuschätzen ist.

 

Das Menschenrecht auf Wasserzugang kann nur eingelöst werden, wenn Wasser völlig aus den Zusammenhängen der kapitalistischen Ökonomie gelöst wird. Wasser ist kein billiger Rohstoff, sondern eine endliche und kostbare Ressource. Gewinnorientierte Unternehmen haben in seiner Bereitstellung, Bearbeitung und Bewahrung nichts verloren. Diese Aufgaben können nur als öffentliche Infrastruktur wahrgenommen werden.

 


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