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Kein Ende der Ökonomisierung der Krankenhäuser Etikettenschwindel »Krankenhausreform«

Die Probleme der Krankenhausversorgung sind eklatant und eng mit dem Fallpauschalen-System (DRG) verknüpft: Behandlungsentscheidungen werden aus betriebswirtschaftlichen Interessen gefällt; Personal wird radikal abgebaut, um Kosten zu senken und Gewinne zu erhöhen; für höhere Gewinne werden Fallzahlen gesteigert und wird ohne medizinische Indikation operiert; Reinigung und Küche werden an externe Dienstleister übergeben, um untertarifliche Bezahlung durchzusetzen. Und auch die dramatisch zunehmenden Schließungen kleiner Krankenhäuser auf dem Land sind Folge des DRG-Systems, weil die schlechte finanzielle Bewertung der Grundversorgung oder der Kinder- und Jugendmedizin die wirtschaftliche Schieflage dieser Kliniken verschärft. Das stellte sogar Gesundheitsminister Lauterbach fest, obwohl er vor fast 20 Jahren genau dieses DRG-System als damaliger Berater der rot-grünen Regierung selbst empfohlen hatte.

Der Minister versprach mit der neuen Krankenhausreform eine »Revolution im System«, die den ökonomischen Druck von den Krankenhäusern nehme und die Patienten wieder ins Zentrum der Behandlung stelle. Am 10. Juli kam es nun zu einer Einigung zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und den Gesundheitsminister*innen der Länder. Bayern (CSU) stimmte dagegen, Schleswig-Holstein (CDU) enthielt sich. Worauf sich hier geeinigt wurde ist allerdings keine Revolution, sondern ein Etikettenschwindel. Die vereinbarten Eckpunkte beinhalten weder eine Überwindung des Fallpauschalensystems, noch die notwendige Entökonomisierung der Krankenhäuser. Die Fallpauschalen bleiben zu 40 Prozent erhalten, und auch die Vorhaltefinanzierung erfolgt pauschal statt kostendeckend. Damit bleiben finanzielle Anreize und insbesondere der Kostendruck auf das Personal bestehen. Das Bekenntnis zur Selbstkostendeckung für die »Pflege am Bett« dagegen ist gut, müsste aber konsequent umgesetzt und auf alle Berufsgruppen ausgeweitet werden. Die von der Regierungskommission vorgeschlagene Einstufung der Krankenhäuser in verschiedene Level und deren Verknüpfung mit definierten Qualitätskriterien ist erst einmal vom Tisch. Ob Lauterbach diese Idee mit einem eigenen Gesetz noch einmal hervorholt, ist jedoch noch ungewiss.

Keins der inzwischen allseits anerkannten Probleme der Krankenhäuser wird mit dieser »Revolution« gelöst: Die Ökonomisierung der Behandlung wird nicht beendet, weil die Finanzierung über Fallpauschalen, wenn auch mit Abschlägen, bestehen bleibt.

Die tatsächlichen Vorhaltekosten werden nicht refinanziert, denn sie werden als fallzahlbezogene Pauschalen bezahlt. Und da eine zweckgebundene Verwendung nicht vorgeschrieben ist, kann dieser Finanzierungsanteil auch für Gewinnausschüttung an Aktionär*innen der privaten Krankenhauskonzerne zu Lasten der Krankenversicherten, des Personals und der Patient*innen verwendet werden.

Die finanziell angeschlagenen Kliniken werden entweder die Reform gar nicht erleben, weil sie bis dahin schon insoIvent sind, oder ihnen wird die Reform nicht helfen, weil sie budgetneutral – denn es soll für diese Reform keine zusätzlichen Gelder geben – umgesetzt werden soll und so Defizite nicht ausgleichen kann.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Pläne der Regierungskommission zwar deutlich entschärft wurden, aber immer noch ein großes Potenzial zur Schließung von kleinen Krankenhäusern beinhalten. Gerade weil die Länder in den letzten Jahren dieselben Schließungsziele verfolgten wie die Regierungskommission, und sie jetzt im Zweifelsfall bei ihren Plänen auf die »bundesgesetzlichen« Zwänge verweisen können, bleibt diese Gefahr bestehen. Ein Übriges wird die finanzielle Notlage vieler Krankenhäuser tun. Hier ist es bezeichnend, dass sich Lauterbach und die Bundesregierung weigern, diese finanzielle Notlage im Rahmen eines Vorschaltgesetzes zu beseitigen. Im Gegenteil spielt das der Bundesregierung in die Karten, und Lauterbach plant diese »Insolvenzopfer« ganz unverblümt mit ein.

Dabei gäbe es einen wirksamen Weg für einen echten Neuanfang: Krankenhäuser sind Einrichtungen der Daseinsvorsorge und sollten daher genau so organisiert werden. Wo als Ergebnis einer demokratischen Planung Krankenhäuser gebraucht werden, muss deren Betrieb bezahlt werden; mit allen Kosten, die dazugehören. Die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung muss überprüfbar sein. Gewinne müssen (wie es bereits bis 1984 üblich war) wieder gesetzlich verboten werden, und private Klinken sollten rekommunalisiert werden. Wir bleiben dabei: Gesundheit ist keine Ware!

Dagmar Paternoga ist Mitglied der bundesweiten Attac-Arbeitsgemeinschaft Soziale Sicherungssysteme und arbeitet seit der Gründung auch im Bündnis »Krankenhaus statt Fabrik« mit.