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Nicht der Tropfen ist die Ursache Gastbeitrag zur Debatte um die Streichung der Agrardieselrückvergütung

Der Unmut der Bäuerinnen und Bauern ist groß: Die geplanten Streichungen der Agrardieselrückvergütung und der KFZ-Steuerbefreiung haben auch Bauernhöfe getroffen, die wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehen. Grund dafür ist die jahrzehntelang ausgerichtete Exportorientierung der Agrarpolitik, auch unterstützt vom Deutschen Bauernverband. Die Rücknahme der KFZ-Steuerbefreiung begrüßen wir von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Statt die Agrardieselrückvergütung nun stufenweise über mehrere Jahre auslaufen zu lassen, schlägt die AbL jedoch konkret vor, die bisher für alle Betriebe geplanten Kürzungen in den Jahren 2025 und 2026 erst ab einer Grenze von über 10.000 Litern anzuwenden. Liegt der Verbrauch der Betriebe unter dieser Schwelle, sind sie von den Kürzungen auszunehmen. Betrieben, die in den Jahren 2021 bis 2023 einen Dieselverbrauch von unter 10.000 Litern hatten, sollte die Rückvergütung mindestens bis 2028 weiter ausbezahlt werden. Diese Zeit muss politisch genutzt werden, um die Einführung von erneuerbaren Antriebsenergien zu fördern und praktikabel umsetzbar zu machen.

Wir sind davon überzeugt, dass die Ursachen für die aktuellen Proteste so vieler Bäuerinnen und Bauern sehr viel tiefer liegen als in der Streichung der Agrardieselbeihilfe und der KFZ-Steuerbefreiung. Bäuerinnen und Bauern bekommen die dringend notwendige Ökologisierung des Pflanzenbaus und den Umbau der Tierhaltung, hin zu umweltverträglich und artgerecht, aktuell weder über den Markt noch über die Förderung ausreichend wirtschaftlich honoriert. Gleichzeitig steigt der gesellschaftliche Druck zum notwendigen Umbau der Landwirtschaft immer weiter an. Dies drückt sich für die Bäuerinnen und Bauern in der Praxis zunehmend in ordnungsrechtlichen Auflagen und einem immer weiter steigenden bürokratischen Aufwand aus. Die Bäuerinnen und Bauern sind zudem noch immer nicht in der Lage, die damit verbundenen Mehrkosten innerhalb der Wertschöpfungskette am Markt weiterzugeben, obwohl Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bereits zu seinem Amtsantritt medienwirksam angekündigt hatte, sich für gerechte Erzeugerpreise und eine bessere Marktstellung der Bäuerinnen und Bauern einzusetzen.

Mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission sowie der Zukunftskommission Landwirtschaft liegen seit langem konkrete Konzepte vor, wie die notwendige Ökologisierung des Pflanzenbaus und der Umbau der Tierhaltung so gelingen kann, dass er mit wirtschaftlichen Perspektiven für den landwirtschaftlichen Berufsstand verbunden ist. Dass es weder die derzeitige Bundesregierung noch ihre Vorgänger vermocht haben, diese Empfehlungen in nennenswertem Umfang umzusetzen, ist nicht nur ein großer politischer Fehler und eine bislang vertane Chance, sondern es ist auch eine der Ursachen für die aktuellen Proteste. Der Deutsche Bauernverband hat in beiden Kommissionen mitgearbeitet, lässt aber Umsetzungswillen der Ergebnisse vermissen.

Martin Schulz, AbL-Vorsitzender und Schweinbauer, sagt: „Die Spitze des Deutschen Bauernverbandes hat sich mit ihrer Haltung, über nichts anders als die Rücknahme des geplanten Ausstiegs aus der Agrardieselrückvergütung verhandeln zu wollen, ins Abseits manövriert. Damit wird zudem die Chance aufs Spiel gesetzt, jetzt substanzielle Maßnahmen wie eine Tierwohl-Abgabe und die Stärkung der Verhandlungsposition von uns Bäuerinnen und Bauern am Markt politisch endlich durchzusetzen. Auch das agieren von Finanzminister Lindner, der einseitige Vorschläge im Sinne der reinen Lehre der FDP macht, statt sich an den Inhalten des gemeinsam von der Ampel am letzten Donnerstag in den Bundestag eingebrachten Antrages zu orientieren, ist wenig hilfreich. Jetzt ist die Zeit für gemeinsame Lösungen, statt für weiteren Streit und das Beharren auf Partikularinteressen.“

Am 15. Januar gab es ein Gespräch zwischen den Fraktionsvorsitzenden der Ampelregierung und den landwirtschaftlichen Verbänden. Martin Schulz kommentierte: „Bei dem Gespräch am Montag haben die Fraktionsvorsitzenden der Ampel eingestanden, dass es in der Agrarpolitik kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem gibt. Sie haben außerdem zugesagt, noch in dieser Woche einen Antrag in den Bundestag einzubringen, der ein konkretes Maßnahmenpaket umfasst, das bis zum Sommer abgearbeitet wird. Statt der angekündigten Maßnahmen und einem Zeitplan haben die Fraktionen nun einen Antrag vorgelegt, der im Kern einen Fragenkatalog beinhaltet. Die AbL fordert die Ampel auf, den im Antrag enthaltenen Fragenkatalog durch das angekündigte Maßnahmenpaket zu ersetzen und dieses sofort auf den Weg zu bringen.“

Die AbL fordert in ihrem agrarpolitischen 6-Punkteplan: Sofortige marktpolitische Maßnahmen wie Vertragspflicht mit festem Preis vor Lieferung, Einführung einer Tierwohl-Abgabe, faire Bodenpolitik, einkommenswirksame Umweltmaßnahmen in der GAP, Umverteilung der GAP-„Einkommensstützung“ hin zu Betrieben mit tatsächlichem Bedarf und Sicherung der Gentechnikfreiheit.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ist eine Attac-Mitgliedsorganisation.

Herzlichen Dank für den Gastbeitrag!

Mehr Infos, auch zum 6-Punkte-Plan: www.abl-ev.de