Panamapapers: Was Staatssekretär Meister bei Anne Will verschwiegen hat
Im Zusammenhang mit den "Panamapapers" werfen wir der Bundesregierung vor, nicht konsequent gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung vorzugehen. "Wenn Staatssekretär Michael Meister bei 'Anne Will' behauptet, die Bundesregierung setze sich für ein Abkommen zur Offenlegung von Kontodaten ein, ist das nur die halbe Wahrheit", stellt Steuerexperte Karl-Martin Hentschel von der AG Finanzmärkte und Steuern klar. "Die andere Hälfte lautet: Das Bundesfinanzministerium sperrt sich dagegen, Informationen an alle Staaten zu liefern. Entwicklungs- und Schwellenländer etwa sollen außen vor bleiben. Das ist ein Skandal."
In der Debatte ebenfalls unter den Tisch fällt der Status Deutschlands als Steueroase für Diktator_innen und Verbrecher_innen. Karl-Martin Hentschel: "Das Vermögen von ausländischen Staatsbürger_innen auf Konten deutscher Banken wird auf etwa drei Billionen Euro geschätzt. Ein beträchtlicher Teil dürfte aus kriminellen Aktionen, von verbrecherischen Staatschefs und internationalen Syndikaten stammen. Doch Deutschland liefert an ausländische Steuerbehörden keine Informationen über dieses Geld. Die deutschen Finanzbehörden erheben nicht einmal Daten."
Weiterer zentraler Kritikpunkt ist die staatlich geduldete Steuervermeidung großer Konzerne. "Jede Diskussion über Steuerhinterziehung ist verlogen, wenn nicht festgestellt wird, dass die wirklich Reichen, die Multimillionär_innen und Milliardär_innen sowie die internationalen Konzerne keine Briefkastenfirmen brauchen, da sie Steuern legal vermeiden können – und dies der Gesetzgeber bewusst duldet", sagt Karl-Martin Hentschel. "Das ist der größte Skandal." So konnte die Familie Quandt ihr Vermögen im vergangenen Jahr ohne Steuerzahlung vererben. Und die Bayer AG hat ihre Steuern in den vergangenen zehn Jahren um mehr als drei Viertel gesenkt, indem die Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagert wurden.
Das Tax Justice Network (TJN) veröffentlicht jährlich den Financial Secrecy Index (Schattenfinanzindex). In Deutschland geschieht das durch das Netzwerk Steuergerechtigkeit, an dem Attac beteiligt ist. Das Auslandsvermögen von Deutschen in Steueroasen wird auf mehrere hundert Milliarden Euro geschätzt. Die bisherigen bekannt gewordenen Fälle machen deutlich, dass diese Vermögen praktisch nie versteuert werden.
Die Kritikpunkte im Einzelnen:
- Deutschland hat ein großes Interesse an der Geheimhaltung der Steuerdaten.Das Vermögen von ausländischen Staatsbürger_innen auf Konten deutscher Banken wird auf ca. drei Billionen Euro geschätzt. Zum Vergleich: Der Gesamtwert aller Vermögen in Deutschland wird von der Deutschen Bundesbank auf zehn Billionen Euro geschätzt. Der größte Teil dieser drei Billionen Euro dürfte nicht versteuert werden, da Deutschland bislang an ausländische Steuerbehörden keine Informationen über diese Gelder liefert. Sie werden ja nicht einmal von den deutschen Finanzbehörden erhoben. Ein beträchtlicher Teil dieser Gelder dürfte aus kriminellen Aktionen, von verbrecherischen Staatschefs und internationalen Syndikaten stammen.
- Deutschland profitiert daher in großem Umfang von seinem Status als Steueroase für solche Gelder.
- Das Bundesfinanzministerium setzt sich jetzt zwar für ein internationales Abkommen zur Offenlegung von Kontodaten ein.Aber das
Bundesfinanzministerium will auch in Zukunft keine Informationen an Staaten liefern, die selbst keine gute Steuerverwaltung haben.Damit dürften die in Deutschland geparkten Gelder zum großen Teil auch in Zukunft geheim bleiben. Das ist ein Skandal, auf den Attac und andere Nichtregierungsorganisationen wie das Netzwerk Steuergerechtigkeit in Briefen an alle Finanzminister und Finanzpolitiker aller Parteien hingewiesen haben.
- Insbesondere Entwicklungs- und Schwellenländer sollen auch in Zukunft keine Informationen bekommen.
Grund: Deutschland hat Angst, dass diese sonst deutsche Konzerne mehr besteuern, die heute dort nur wenig zahlen.
- Eine Weitergabe der Kontodaten ist nur sinnvoll, wenn die natürlichen Konteninhaber beziehungsweise Nutznießer identifizierbar sind.
Das muss auch dann gelten, wenn Zwischenhändler, Treuhänder oder Zwischengesellschaften eingeschaltet sind.
- Deutschland beziehungsweise die EU könnten das durchsetzen, wenn allen in Deutschland (bzw. der EU) tätigen Banken und tätigen Firmen verboten wird, Geschäfte mit Banken und Gesellschaften in Staaten zu machen, die nicht mit den deutschen (europäischen) Steuerbehörden kooperieren.
So machen es die USA. Das Bundesfinanzministerium lehnt das ab, wie Staatssekretär Michael Meister am Sonntag erneut bestätigt hat.
- Das Bundesfinanzministerium wehrt sich weiterhin dagegen, dass das Register der Besitzer bzw. Nutznießer, das jetzt im Rahmen der Geldwäscherichtlinie der EU diskutiert wird, öffentlich zugänglich wird. Alle Erfahrungen der vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass nur der öffentliche Druck geeignet ist, eine Durchsetzung der Steuerforderungen sicher zu stellen. Ohne eine Veröffentlichung können weiterhin Wege gefunden werden, die Steuerpflicht zu umgehen. Außerdem ist der Druck auf die Steuerbehörden, mit großen Firmen zu Absprachen zu kommen und Prozesse zu vermeiden, sehr hoch.
- Das Bundesfinanzministerium wehrt sich gegen konsequentes Vorgehen gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung, da deutsche Firmen und deutsche Multimillionär_innen selbst in erheblichem Umfang davon profitieren.
- Deutschland könnte jederzeit ein Gesetz erlassen, dass deutsche Staatsbürger_innen grundsätzlich mit ihrem weltweiten Einkommen
steuerpflichtig sind. Die USA machen das und setzen sogar gegen die Schweiz, Liechtenstein und anderen Länder durch, dass alle Banken, Firmen und Steuerbehörden der Finanzbehörde der USA die Daten liefern.