Europäisches Bündnis gegen TTIP
Ein EU-weites Bündnis aus mehr als 120 Organisationen hat am heutigen Mittwoch eine gemeinsame Erklärung gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA veröffentlicht. Zu den Unterzeichnern gehört auch Attac Deutschland.
Wir dokumentieren nachfolgend die Pressemitteilung des Bündnisses. Die Erklärung und die unterzeichnenden Organisationen sind auf der Plattform www.bilaterals.org veröffentlicht.
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EU-weites zivilgesellschaftliches Bündnis lehnt Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA ab
Mehr als 120 Organisationen kritisieren die Unternehmensagenda in den TTIP-Verhandlungen
Eine breite europäische Koalition aus mehr als 120 zivilgesellschaftlichen Organisationen hat heute in einer gemeinsamen Erklärung einen grundlegenden Kurswechsel in den Verhandlungen um das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP / im englischsprachigen Raum: TAFTA) gefordert. Anlass für die Erklärung ist die derzeit laufende fünfte TTIP-Verhandlungsrunde in Arlington / USA (bis 23. Mai). Die unterzeichnenden Umweltverbände, sozialen Bewegungen, Verbraucherrechtsgruppen, Demokratie fördernden Organisationen und Gewerkschaften wenden sich gegen die Konzernagenda des geplanten Abkommens.
TTIP würde Sozial- und Arbeitsstandards, die Lebensmittelsicherheit, digitale Rechte und den Umweltschutz betreffen. Die Erklärung kritisiert sowohl zentrale Inhalte des geplanten Abkommens als auch den Verhandlungsprozess. Die unterzeichnenden Organisationen lehnen Folgendes ab:
- den Mangel an Transparenz und demokratischem Prozess in den TTIP-Verhandlungen
- die Absenkung von Standards durch die Vereinbarung
- die Investorenschutz-Bestimmungen, die es ausländischen Unternehmen erlauben, Regierungen der Mitgliedstaaten und die EU zu verklagen
- die geplante antidemokratische Governance-Struktur in Gestalt eines Regulierungsrat für die laufende "Harmonisierung" der Vorschriften und Verfahren
"Bei TTIP geht es in erster Linie darum, die Rechte von Unternehmen weiter zu stärken und ihnen Vorrang einzuräumen vor den Rechten der Menschen und einer demokratischen Kontrolle. Das Abkommen hätte negative Auswirkungen auf viele verschiedene gesellschaftliche Bereiche. Die Stärke unseres EU-weiten Bündnisses ist es, unsere verschiedenen Kämpfe miteinander zu verknüpfen, so dass das große Bild sichtbar wird", sagte Johannes Lauterbach von Attac Deutschland.
TTIP wird verhandelt zwischen der Europäischen Kommission im Namen der EU-Mitgliedstaaten und der US-Regierung. Da die Warenzölle zwischen den EU und den USA bereits niedrig sind, liegt der Schwerpunkt der Verhandlungen darauf, Normen und Vorschriften abzusenken, sowie Genehmigungsverfahren zu vereinfachen, die die Gesundheit und Sicherheit schützen sollen – von den TTIP-Befürwortern aber als "Handelshemmnisse" bezeichnet werden. Das vorgeschlagene Sonderklagerecht für Investoren (Investor-State Dispute Settlement / ISDS) stellt nach Ansicht des zivilgesellschaftlichen Bündnisses eine besondere Bedrohung für die Demokratie dar.
"Es ist das klare Ziel, bestehende Regelungen zum Vorteil der großen Unternehmen zu verändern. Die Mehrheit der Landwirte wird Einkommensverluste verzeichnen, und noch mehr Kleinbauern werden von ihrem Land vertrieben werden. Die Verbraucher werden nicht mehr in der Lage sein, sich gegen einen reduzierten Schutz, gegen Hormon-Rindfleisch und gentechnisch veränderte Lebensmitteln auf ihren Tellern zu wehren", sagte Geneviève Savigny von der europäischen Kleinbauern-Bewegung "European Coordination Via Campesina" (ECVC) hinzu.
"Einen gemeinsamen transatlantischen Markt zu schaffen, ist Kern der großen Liberalisierungsagenda der europäischen und der US-Wirtschaft. Durch TTIP würden die Fehler des Vertrags von Rom wiederholt: Die EU enthüllt sich selbst als eine Maschine, die die Arbeiter ihrer Mitgliedsstaaten in Konkurrenz zueinander setzt und ist dabei die treibende Kraft für Sozialdumping", ergänzte Wolf Jäcklein von der französischen Gewerkschaft CGT.
"Während sich andere Länder von so genannten Investorenschutzprogrammen wieder befreien, versucht die konzerngesteuerte EU-Kommission, uns dauerhaft daran zu binden. Die Breite des Widerstandes gegen diese Konzernsonderklagerechte – von nicht-staatlichen Organisationen über Umwelt- und Verbraucherverbände bis zu Gewerkschaften und Regierungen – zeigt, dass diese Sonderrechte nicht akzeptabel ist", sagte Linda Kaucher von der britischen Organisation Stop TTIP UK.
Das Bündnis fordert ein komplettes Umdenken in den Vertragsverhandlungen: Die Bürger und die Umwelt müssen in einem transparenten und demokratischen Prozess an erste Stelle gestellt werden. Das Abkommen darf weder ein Sonderklagerecht für Investoren oder einen Regulierungsrat enthalten, noch dürfen Standards abgesenkt oder öffentliche Dienstleistungen privatisiert werden. Ökologisch nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken müssen gefördert werden und die politische Macht muss in öffentlicher Hand bleiben.
"Wir lehnen TTIP und die Idee, eine weitere Liberalisierung sei gut für die Umwelt oder die Wirtschaft, von ganzem Herzen ab. Europa braucht stärkere soziale Sicherungsnetze, mehr öffentliches Eigentum, höhere Standards, stärkere Menschen-und Tierrechte und einen erhöhten Umweltschutz", sagte Joe Mobbs vom französischen Bürger-Kollektiv Les Engraineurs.
Die Veröffentlichung der gemeinsamen Erklärung am 21. Mai fällt zusammen mit der fünften Runde der TTIP-Verhandlungen und einem Aktionstag bei Washington DC, in Arlington, Virginia, wo die Verhandlungen stattfinden.
Das Bündnis bringt seine Solidarität mit den amerikanischen Kollegen zum Ausdruck, die gegen das Freihandelsabkommen protestieren. Das europäische Bündnis hat bereits eine enge Beziehung zu den zivilgesellschaftlichen Gruppen in den USA. Für die kommenden Monate sind gemeinsame Aktivitäten geplant.