EU-Gipfel: Merkel treibt hinter Kulissen Abschottung Europas voran
Hinter den Kulissen treibt die Bundesregierung die Abschottung der EU voran. Die Gespräche laufen seit Herbst; mit dem EU-Gipfel steht das Projekt kurz vor dem Abschluss. Die Grenzen entlang der Balkanroute sind nahezu dicht. Nun sollen Flüchtlinge, die es unter Lebensgefahr über das Meer nach Griechenland geschafft haben, in die Türkei zurückgeschickt werden. Damit ist das Asylrecht in Deutschland faktisch ausgehebelt.
Dass die türkische Regierung in den kurdischen Gebieten die Menschenrechte mit Füßen tritt, die kritische Presse im Land unterdrückt und auch mit Waffen gegen Flüchtende vorgeht, wird hingenommen, so lange möglichst wenig Flüchtende aus Syrien den Weg nach Griechenland schaffen. Thomas Eberhardt-Köster vom Attac-Koordinierungskreis: "Es ist zynisch, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel die Willkommenskultur in Deutschland lobt und gleichzeitig hinter den Kulissen an der Schließung der EU-Grenzen arbeitet."
Parallel zur Schließung der Landwege hat die Nato unter Führung der Bundeswehr damit begonnen, gegen Flüchtlingsboote im Mittelmeer vorzugehen. Noch sollen die Soldaten die Boote der Flüchtenden nicht aktiv abdrängen, sondern nur an die europäische Grenzschutzagentur Frontex und die türkischen Grenztruppen melden. Dass die Kriegsschiffe auch als Abschreckung dienen, liegt aber im Kalkül der Nato.
Das Dilemma der Kanzlerin ist klar: Bleiben die Landesgrenzen offen, läuft die Bundesregierung Gefahr, vom rechten Mob weiter unter Druck gesetzt zu werden. Geschlossene Grenzen hätten aber massive negative Folgen für die deutsche Wirtschaft. Nur indem die Grenzschließung an die Peripherie der Eurozone verlagert wird, können Flüchtende auf ihrem Weg nach Deutschland gestoppt werden, ohne den Warenverkehr zu beeinträchtigen.
Entsprechend hoch ist der Druck, den die Bundesregierung und andere EU-Staaten auf Griechenland ausüben. "Nachdem Merkel bis vor kurzem massiv an der Verarmung Griechenlands mitgewirkt hat, besitzt sie jetzt die Chuzpe, die griechische Regierung aufzufordern, endlich ordentliche Lebensbedingungen für die dort Gestrandeten zu schaffen", sagt Werner Rätz, ebenfalls im Attac-Koordinierungskreis. "Vergangenes Jahr sollte Griechenland rechtlich, jetzt soll es faktisch aus der EU gedrängt werden."
Gipfeltreffen der "Bewegungen des Willkommens"
"Welcome to stay" - unter diesem Motto organisieren zahlreiche Gruppen und Initiativen, darunter Attac, ein "Gipfeltreffen der Bewegungen des Willkommens, der Solidarität und des Antirassismus" vom 10. bis 12. Juni in Leipzig. Bei dem Treffen soll es unter anderem darum gehen, wie die Situation von Geflüchteten verbessert werden kann und sich die Verschärfung des Asylrechts und die Abschottung aufhalten lassen. "Wie machen wir unsere Solidarität und unser Willkommen so hörbar, dass es die Vorurteile, den Hass und die Hetze übertönt?", heißt es in der Einladung. Diese richtet sich an "Menschen aus den vielen Willkommensinitiativen, Solidaritätsgruppen, Selbstorganisationen von Geflüchteten, aus den antirassistischen und antifaschistischen Gruppen und Netzwerken und aus den zivilgesellschaftlichen Organisationen".
Zum Initiativkreis gehören Aktive aus Solidaritätsgruppen, von Attac, der Interventionistischen Linken, dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Partei Die Linke und dem linXXnet Leipzig.