Wie stopft man am besten Steuerschlupflöcher?
Die bisherigen Versuche der Politik, mit dem Problem umzugehen, gleichen dem Vorhaben, mit einem Sieb Wasser schöpfen zu wollen, indem man dessen Löcher einzeln stopft. Ein mühsames und fragwürdiges Unterfangen, vor allem, wenn die Chance besteht, ein anderes Gefäß zum Schöpfen zu bekommen.
Dennoch sind auch Einzelmaßnahmen sinnvoll. Auf dieser Seite geht es um konkrete Änderungen, die helfen können, Schlupflöcher zu stopfen. Auf einer weiteren Seite stellen wir die Gesamtkonzern-Steuer vor, die sich als neues Gefäß eignen könnte.
Kurzfristige nationale Maßnahmen
Die folgenden Maßnahmen können kurzfristig in Deutschland umgesetzt werden und bedürfen keiner oder nur begrenzter internationaler Abstimmung.
- Strafverfolgung: Die Strafbemessung im Zusammenhang mit Steuerdelikten muss verschärft werden. Steuerhinterziehung ab einer Million Euro muss gesetzlich zu einer Mindeststrafe von mehr als einem Jahr Gefängnis führen, was eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung ausschließt. Selbstanzeige darf nicht mehr zu Straffreiheit, sondern nur noch zu Strafminderung führen. Darüber hinaus soll ein Unternehmensstrafrecht eingeführt werden.
Es muss eine Kooperations- und Anzeigepflicht für Banken geben; mit wirksamen Sanktionen und Strafandrohungen bei Verstößen- bis hin zum Entzug der Banklizenz. Die Verjährungsfristen für Steuerhinterziehung müssen angehoben werden. In den USA beginnt die zehnjährige Verjährungsfrist beispielsweise erst mit der Abgabe einer korrekten Steuererklärung. - Steuerfahndung: Wir fordern die Einführung einer Bundessteuerbehörde für die Besteuerung von internationalen Konzernen, verbunden mit einer bundesweiten Steuerfahndung. Die Steuerprüfung von Unternehmen soll gestärkt werden.
- Stiftungen: Die Steuerbefreiung von gemeinnützigen Stiftungen sollte strengen Kriterien unterworfen sein. Das deutsche Stiftungsrecht erlaubt, dass eine gemeinnützige Stiftung bis zu 30 Prozent für den Unterhalt der Stiftungsfamilie aufwendet (was die Empfänger dann als Einkommen versteuern müssen). Dieser Teil sollte aber außerdem vor der Ausschüttung an die Familie steuerlich so behandelt werden wie Konzerngewinne (Körperschaftssteuer).
Es muss sichergestellt werden, dass die Zuwendungen an die Nutznießer von Auslandsstiftungen (z. B. in Liechtenstein) den Finanzämtern gemeldet und in voller Höhe wie Gewinnausschüttungen/Einkommen versteuert werden. - Quellensteuern: Wir plädieren für eine Einführung einer Quellensteuer auf Zinszahlungen auch für Unternehmen, außerdem für eine Erhöhung der Quellensteuer auf Lizenzzahlungen deutscher Unternehmen, die von diesen an den deutschen Fiskus abzuführen sind, von 15 Prozent auf 30 Prozent Die Quellensteuern sollen weder anonymisiert erhoben werden, noch abgeltende Wirkung haben.
- Aufwandsverrechnung: Die Abzugsfähigkeit von Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland und von anderen Aufwendungen, wenn die daraus resultierenden Erträge steuerfrei sind, muss abgeschafft werden.
- Veräußerungsgewinne: Beim Verkauf von Tochterunternehmen müssen Veräußerungsgewinne versteuert werden, soweit sie nicht bereits im Rahmen der Offenlegung stiller Reserven versteuert wurden. Dann wäre eine Auflösung der stillen Reserven erforderlich, um eine spätere Doppelbesteuerung zu vermeiden. Das würde eine Änderung im deutschen Handelsgesetzbuch erfordern.
- Internet-Handel: Die bestehenden OECD-Standards, die eine Besteuerung nur in den Ländern zulassen, in denen ein Unternehmen mit einer Filiale präsent ist, müssen geändert werden. Eine Möglichkeit könnte sein, Internet-Geschäfte und andere Geschäfte, bei denen die Endkunden vom Ausland aus beliefert werden, mit einer umsatzbezogenen Pauschalsteuer zu belegen.
- Doppelbesteuerungsabkommen: Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)müssen auch „doppelte Nicht-Besteuerung“ verhindern. Dazu ist festzuschreiben, dass Gewinne auf jeden Fall besteuert werden. Dazu soll im Regelfall die sog. Anrechnungsmethode genutzt werden. Wenn also Zinszahlungen an eine Tochtergesellschaft in Irland dort nur mit 12,5 Prozent besteuert werden, würde in Deutschland der gesamte Gewinn einschließlich Zinszahlungen mit 30 Prozent besteuert, die Steuer in Irland kann aber angerechnet werden. DBAs, die diesen Maßnahmen entgegenstehen, sind neu zu verhandeln. Bei nicht kooperativen Staaten (Steueroasen) sollte das entsprechende Abkommen gekündigt werden.
Weitergehende internationale Maßnahmen
- Länderbezogene Berichterstattung (Country-by-Country-Reporting): Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung sind zu verpflichten, in ihrem Abschluss länder- und projektbezogen bestimmte Daten für alle Tochterunternehmen und Beteiligungen lückenlos offen zu legen. Dazu gehören vor allem die Verkaufsumsätze, Gewinne, Lohnsumme, Beschäftigtenzahlen, Finanzierungskosten und Zahlungen an staatliche Stellen. Bislang bleiben die Zahlungsflüsse innerhalb internationaler Unternehmen unsichtbar.
- Informationsaustausch: Die EU sollte einen automatischen Informationsabgleich innerhalb der EU über alle Einkünfte einschließlich von Kapitalerträgen, auch von juristischen Personen, beschließen. Dieser sollte auch auf Drittstaaten, insbesondere auf so genannte Entwicklungsländer erweitert werden.
- Register: Die Eigentümer oder Nutznießer von Unternehmen, Stiftungen, Trusts und ähnlichen Rechtskonstruktionen müssen in einem öffentlichen Register festgehalten werden.
- Internationale Steuerfahndung:Die gegenseitige Amtshilfe bei Steuerdelikten sollte für die gesamte EU vereinfacht werden. Weiterhin nötig sind eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Steuerbehörden der EU-Staaten und weltweit sowie gemeinsame Steuerprüfungen und Steuerfahndungen bei internationalen Konzernen.
- Steueroasen:Die EU sollte eine Definition von Steueroasen beschließen. Wenn Steueroasen außerhalb der EU nicht kooperieren, muss eine entsprechende Strafbesteuerung (Quellensteuer, Abschlagssteuer) in der EU erfolgen und die DBA ggf. gekündigt werden. Außerdem stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Steuerdaten dem Datenschutz unterliegen sollen, wie es in Deutschland der Fall ist. Transparenz trägt zur Steuerehrlichkeit bei.
- Mindeststeuersätze: Es sollten schrittweise EU-weite Mindeststeuersätze eingeführt werden. Mittelfristig sollten die Gewinne mindestens mit 25 Prozent besteuert werden.